Nachwuchs gesucht: Prof. Bernd Löhlein über Elektromobilität

Nachwuchs gesucht: Prof. Bernd Löhlein über Elektromobilität

Millionen Elektro-Fahrzeuge sollen künftig auf deutschen Straßen fahren. Wenn es nach Bernd Löhlein, Professor an der Hochschule Flensburg, geht, dann werden Elektroantriebe bald auch auf dem Wasser und in der Luft eingesetzt. Allerdings fehlt der Nachwuchs für die Mobilitätswende. Noch – denn in Flensburg soll genau der ausgebildet werden.

Bis 2030 sollen sieben bis zehn Millionen Elektrofahrzeuge in Deutschland zugelassen sein – das zumindest ist das Ziel der Bundesregierung. Aktuell fahren etwas mehr als eine halbe Million E-Autos auf deutschen Straßen. Allein 2020 hat sich die Zahl der neu zugelassenen E-Autos in Deutschland verdreifacht. Damit es noch mehr werden, wurden bereits Milliarden von Euro in Kaufanreize gesteckt, weiteres Geld soll folgen. Wenn es nach Bernd Löhlein geht, kann schon ein weit kleinerer Anreiz reichen: „Jeder, der einmal in ein Elektroauto steigt und losfährt, der will kein anderes mehr“, sagt er. „Einfach ausprobieren – dann würden viel mehr Menschen umsteigen.“

Löhlein ist Professor für Elektrische/Mechanische Antriebstechnik an der Hochschule Flensburg und Leiter des Projektbüros zur E-Mobilität im Technologiezentrum Flensburg. Er kümmert sich also gewissermaßen um den Nachwuchs in Sachen E-Mobilität. Und da hakt es, sagt der 41-Jährige. „Der Fokus muss darauf liegen, den Nachwuchs dafür fit zu machen, sich mit der Energiewende zu beschäftigen – egal ob es um einen Antrieb oder um Energieerzeugung geht.“ Die Physik sei am Ende dieselbe.

Aktuell liege der Fokus oft noch auf der Mechanik, weniger auf der Elektrotechnik. Dabei seien schon heute Autos voll mit E-Antrieben – auch klassische Verbrenner. „In einem aktuellen Auto gibt es 50 bis 80 Antriebe – die sehen wir nur nicht alle. Fast immer sind das elektrische Antriebe“, so Löhlein. „Das fängt an beim Scheibenwischer und endet bei der Wärmepumpe, mit der das Auto geheizt wird.“

Die Zeit des Verbrenners ist vorbei

Das Problem: Die klassische Ausbildung deckt dem Professor zufolge zu wenig davon ab. „Ich kenne Unternehmen, die ihre klassischen Maschinenbauingenieure umschulen. Auch, weil die typischen Tätigkeiten nach und nach einfach wegfallen“, sagt er. „Die Zeit des Verbrenners ist vorbei.“ Und das nicht nur auf der Straße.

Elektromobilität ist die Zukunft

Löhlein, der selbst in der Forschung für den Autobauer Daimler gearbeitet hat, ist auch wegen weit größeren Luftverschmutzern 2019 in den Norden gekommen. „Wenn man sich in den Kieler Hafen neben ein Kreuzfahrtschiff stellt, dann ist die Feinstaubbelastung um den Faktor 1000 höher, als in der Stuttgarter Innenstadt“, sagt er. „In der Schifffahrt steckt großes Potenzial.“ Ähnlich sei es in der Flugzeugbranche. „Da passiert der Umsatz von fossiler Energie in Schadstoffe.“ Das Elektro-Auto werde ohnehin kommen. „Der Hebel ist aber in der Schifffahrt und in der Flugzeugindustrie deutlich größer, als beim Straßenverkehr“, ist Löhlein überzeugt.

Die Transformation auf der Straße wird kommen, ist sich der Professor sicher – auch wenn es noch schleppend vorangeht. Und auch für die Schifffahrt sieht der 41-Jährige eine Perspektive. „In den nächsten fünf Jahren werden wir Lösungen sehen“, prognostiziert er. Schon heute hätten etwa Kreuzfahrtschiffe E-Motoren. Doch aufgrund der zu bewegenden Masse und der großen Strecken, die zurückgelegt werden müssen, werden diese Motoren von Dieselgeneratoren angetrieben. „Da muss dringend etwas bei den Energiespeichern passieren“, sagt Löhlein. Geht es nach dem 41-Jährigen, wird in Deutschland in dem Bereich aktuell zu viel auf Wasserstoff gesetzt. Er würde sich wünschen, dass die neue Regierung auch andere Energiespeicher mehr fördern würde.

Der Professor geht davon aus, dass schon bald vor allem für kürzere Strecken auf dem Wasser E-Antriebe genutzt werden, etwa für Hafenfähren und in der Binnenschifffahrt. „Wir haben es ja bei den E-Autos gesehen. Da haben bis vor Kurzem alle noch über die mangelhafte Reichweite gejammert. Heute bekommt man ohne Probleme 1000 Kilometer aus einem E-Auto.“ Das Problem sei gelöst, was bleibe, sei die Kostenfrage. „Wir bekommen das aber hin“, sagt Löhlein. Auch in der Schifffahrt. „Aber da muss noch viel Arbeit reinfließen – und dafür brauchen wir mehr Absolventen.

Nachwuchs gesucht!

Im ersten Jahrgang des noch jungen Studiengangs Antriebstechnik und Elektromobilität studieren sechs junge Menschen, im kommenden sollten es mehr als zehn sein, hofft Löhlein. „Das ist immer noch wenig. Es wäre aber schon ein Fünftel der Maschinenbaustudenten bei uns.“ Wünschen würde er sich einmal 20 Studierende in Flensburg, die sich voll auf elektrische Antriebe fokussieren.

Die Unternehmen in der Region bräuchten sicherlich noch mehr. Die ersten Studierenden seien bereits vermittelt, bevor sie die erste Bewerbung schreiben, sagt Löhlein. Viele strebten zu Zulieferern für die Autobranche oder in die Windenergie. Er hofft, dass künftig noch mehr Absolventen eine akademische Laufbahn einschlagen. „Auch an den Hochschulen haben wir einen massiven Bedarf“, betont er. Ein Masterstudiengang sei bereits in Planung. Der Schwerpunkt soll dabei auf Simulationen liegen. Denn oft sei das aktuelle Handwerkszeug nicht Teil der Arbeit.

Es geht nicht nur ums Klima

Als Löhlein selbst kurz nach der Jahrtausendwende für Daimler forschte, waren Computersimulationen noch fern. „Das Prinzip war Try and Error“, erinnert er sich. „Wir haben ein A-Modell gebaut, dann ein B-Modell und ein C-Modell. Und jedes Mal haben wir ein halbes Jahr lang geschaut, wie es funktioniert.“ Das gehe heute weit schneller, vor allem dank Simulationen am Computer. Und die wollen die Flensburger Studierenden nutzen.

Den Weg in die Elektromobilität schlagen dabei laut Löhlein nicht mehr nur ökologische Überzeugungstäter ein. „Das war früher eher so“, sagt er. „Heute spielt zwar die Klimakrise eine große Rolle in der jüngeren Generation. Aber entscheidend ist vor allem, dass die es technisch unglaublich spannend ist“, diagnostiziert Löhlein. „Und die Aussichten sind hervorragend.“

TEXT Robert Otto-Moog
FOTO HS Flensburg