Nachhaltiges Studieren an der TH Lübeck am Beispiel des Studienprojekts „Solar Decathlon“

Nachhaltiges Studieren an der TH Lübeck am Beispiel des Studienprojekts „Solar Decathlon“

Dass es die Vokabel „Nachhaltigkeit“ (engl.: „Sustainability“) noch nicht zum Wort des Jahres geschafft hat, ist unerklärlich. Ob Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Umwelt, Ernährung, Gesundheit oder Bildung – nachhaltiges Handeln ist das Gebot der Stunde und fordert zukunftsfähige Lösungen in allen Lebensbereichen. Auch die Technische Hochschule Lübeck beschäftigt sich mit diesem Thema, sowohl fachlich als auch methodisch. Zum Beispiel im Studienprojekt „Solar Decathlon“. Studierende profitieren davon … nachhaltig.

Jan und Annika vom Projekt Solar Decathlon

Jan und Annika sind beim Projekt Solar Decathlon mit an Bord

„Aus diesem Studium werde ich viel mitnehmen!“, meint Jan, Architekturstudent (B.A.) der TH Lübeck im siebten Semester. „Ich hätte nie gedacht, dass ich während eines Studiums so viele praktische Erfahrungen sammeln und Kontakte knüpfen kann! Ein vages Interesse am Bauen hat sich an der Technischen Hochschule Lübeck zu einem leidenschaftlichen Berufsziel entwickelt.“ Verstehen, anwenden, weiterdenken. Nachhaltiges Studieren bedeutet, in alle Richtungen zu blicken, interdisziplinär zu arbeiten, morgen zu wissen, was gestern Studieninhalt war, und sich motiviert zu fühlen, die Welt dauerhaft zu verbessern. Wie schafft man das? Zum Beispiel, indem man Studierende intensiv betreut und sie in praktische Projekte einbindet. Heiner Lippe, Professor für Architektur an der TH Lübeck, hat dafür ein Händchen. Seine Seminare und Exkursionen sind bekannt für ihre nachhaltigen Effekte.

Die Studierenden arbeiten interdisziplinär in entsprechenden Arbeitsgruppen und beschäftigen sich mit allen Facetten des Hausbau-Projekts.
Professor Heiner Lippe

Der Wettbewerb

„Unser aktuelles Architekturprojekt ‚Solar Decathlon’, erzählt der weitgereiste Diplom-Architekt, „ermöglicht Studierenden aus sechs unterschiedlichen Studiengängen eine aktive Beteiligung: Architektur, Städtebau und Ortsplanung, Energie- und Gebäudeingenieurwesen, Umweltingenieurwesen und –management, Physikalische Technik sowie Informationstechnologie und Design. Der Wettbewerb wird in zehn Kategorien bewertet: Architektur, Konstruktion, Marktfähigkeit, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, Nachhaltigkeit, Innovation, Haushaltsgeräte, Home Entertainment, Komfort und Energiesteuerung. Die Studierenden arbeiten interdisziplinär in entsprechenden Arbeitsgruppen und beschäftigen sich mit allen Facetten des Hausbau-Projekts. Selbst die Fördermittel für die Finanzierung des gesamten Projekts werden von Studierenden organisiert und beantragt. Sogar ein Studierender der Musikhochschule Lübeck nimmt teil und unterstützt uns mit dem Sounddesign der Präsentationen. Am Ende des Wettbewerbs wird unser internationales Team in Marrakesch ein Haus präsentieren, in dem Wasser aus dem Hahn kommt, die Dusche läuft, der Fernseher flimmert und jeder Lichtschalter funktioniert, alles auf Basis von Solarstrom.“

Zur Planung und Vorbereitung treffen wir uns seit einem Jahr regelmäßig zu Workshops an unserer Partner-Universität im marokkanischen Rabat
Annika

Nachhaltigkeit

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ beschreibt sowohl ein gesellschaftspolitisches Konzept als auch ein Prinzip zum schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen. Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet, dass Raubbau an der Natur vermieden wird und die Gesellschaft nicht über ihre Verhältnisse lebt. In der ursprünglichen Bedeutung findet der Begriff bei Umwelt- und Klimaschutzthemen Verwendung und meint, dass regenerative Ressourcen, zum Beispiel Pflanzen, nur soweit abgebaut und genutzt werden dürfen, dass sie Zeit haben, natürlich nachwachsen zu können.

Interdisziplinär, international, interkulturell

Professor Heiner Lippe spricht über das Projekt Solar Decathlon

Professor Heiner Lippe ist von dem Projekt begeistert

Besonders lehrreich ist die Zusammenarbeit mit den afrikanischen Teamkollegen. „Unser Wettbewerbsteam besteht aus deutschen, marokkanischen und senegalesischen Studierenden“, erklärt Architekturstudentin Annika. „Zur Planung und Vorbereitung treffen wir uns seit einem Jahr regelmäßig zu Workshops an unserer Partner-Universität im marokkanischen Rabat. Dort diskutieren und entwerfen wir, lernen Land und Leute kennen und stellen zum Teil auch unterschiedliche Sichtweisen fest. Die Eindrücke und Erkenntnisse haben mich im Umgang mit anderen Kulturen nachhaltig sensibilisiert. Auf diese Erfahrungen werde ich später als Architektin zurückgreifen. Die Lerneffekte sind enorm!“

Genau solche Effekte verspricht sich Professor Lippe von den Projekten: „Als Dozenten haben wir nicht nur eine fachliche, sondern auch eine ethische und gesellschaftliche Verantwortung. Wenn wir über energieeffizientes Bauen sprechen, geht es nicht nur um Kilowattstunden mal Euro, sondern um Kilowattstunden mal Euro, plus Menschen! Deshalb fordere ich Studierende auf, über den Tellerrand zu blicken. Wenn wir durch Marokko reisen, schauen wir uns nicht nur Bauwerke an, sondern erleben Gerüche und sehen, wie Menschen handeln, essen und wohnen. Um nachhaltige Lösungen zu schaffen, müssen wir in alle Richtungen blicken!“

Das Solar-Decathlon Team aus Lübeck, Rabat und Dakar.

Drei Hochschulen, eine Gemeinschaft!
Das Solar-Decathlon Team aus Lübeck,
Rabat und Dakar.

Solar Decathlon Africa 2019

Der „Solar Decathlon Africa 2019“ ist ein Architekturwettbewerb, der die Aspekte Nachhaltigkeit, Innovation und Forschung betont. Nach dem Vorbild des US-amerikanischen Solar Decathlons sind 20 internationale Hochschulteams aufgefordert, einen Häusertyp zu planen, zu konstruieren und zu bauen, der afrikanische Bau-Traditionen berücksichtigt und dessen Energiebedarf ausschließlich von selbst produziertem Solarstrom gedeckt wird. Der zweiwöchige Wettbewerb findet im September 2019 in Ben Guerir statt, 90 Kilometer nördlich von Marrakesch. Gastgeber ist das marokkanische Energieministerium. Gewinner des Wettbewerbs ist das Team, das in 10 Kategorien die meisten Punkte erzielt.

TEXT Christian Dorbandt
FOTO Sebatian Weimar, TH Lübeck