In der Reihe ME2BE-Reihe „Nachgefragt“ können Schülerinnen und Schüler, Azubis und Studierende verantwortliche Politikerinnen und Politiker aus Schleswig-Holstein und Hamburg direkt befragen. Jana Limbers (28) studiert English and American Literatures, Cultures, and Media an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Ihre Fragen richtet sie an die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU).
Jana: Eine private Frage zunächst: Wenn Sie an die Zeit vor dem Abi zurückdenken – wie haben Sie selbst Ihren „Traumberuf“ gefunden?
Karin Prien: Ein guter Ratgeber bei der Suche nach dem späteren Traumberuf war für mich immer meine eigene Freude an einem Thema. Das rate ich auch jungen Menschen: Hört auf das eigene Gefühl, findet heraus, was euch Freude macht. Und die Eltern als Vorbilder spielen oft auch eine Rolle. Im Übrigen ist der Traumberuf ja meistens eine Entwicklungsgeschichte und hängt auch von Zufällen und glücklichen Weichenstellungen ab: Aus einem Grundinteresse wird dann vielleicht mehr, aus mehr Wissen wird Freude am Wissen, Mehr-Wissen und Entdecken – und plötzlich ist man in seinem Traumberuf unterwegs.
Ich bin Juristin, war Anwältin und Abgeordnete der Bürgerschaft, und ich bin Bildungspolitikerin. Das eine hilft mir beim anderen, ich habe große Freude am Gestalten und daran, für junge Menschen und ihre Zukunft zu arbeiten. Dass es immer schon mein Traum war, Juristin oder Bildungsministerin zu sein, kann ich nicht sagen. Irgendwann war es dann aber doch so, jetzt darf ich es machen – und das finde ich traumhaft.
Der Traumberuf für viele ist ja immer noch die Medizin mit einem von vielen unerreichbaren Numerus clausus. Welche Alternativen können die Hochschulen in Schleswig-Holstein bieten?
Das Spektrum des Studienangebotes in Schleswig-Holstein ist unglaublich breit. Es gibt Studienmöglichkeiten an Universitäten, Fachhochschulen und künstlerischen Hochschulen; es gibt stärker theoretisch oder stärker praktisch ausgerichtete Studienangebote und inhaltlich sind fast alle üblichen Fächer vertreten. Die Hochschulen bieten auch außerhalb der Studiengänge, die viel- leicht im ersten Moment einfallen, noch viel Weiteres. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass sich Studieninteressierte gut informieren. Für diejenigen, die an einem Medizinstudium interessiert sind, dort aber keinen Studienplatz erhalten, gibt es besonders an der Universität zu Lübeck eine Vielzahl an Studiengängen, die sich im medizinnahen Bereich bewegen, beispielsweise Medizinische Informatik, Mathematik in Medizin und Lebenswissenschaften, Medizinische Ernährungswissenschaft oder Medizinische Ingenieurwissenschaft. Auch die gesundheitswissenschaftlichen Studiengänge an der Universität zu Lübeck oder der Studiengang Physiotherapie an der Fachhochschule Kiel sind eine Alternative. Es lohnt sich also in jedem Fall, den Blick zu weiten und das gesamte Studienangebot an unseren Hochschulen in den Blick zu nehmen.
Es lohnt sich also in jedem Fall, den Blick zu weiten und das gesamte Studienangebot an unseren Hochschulen in den Blick zu nehmen.
-Karin Prien
Was tut die Politik, um den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen auszugleichen? Wie könnte man diese Berufe attraktiver gestalten?
Das ist eher eine Frage an das Gesundheitsministerium. Ich will aber zum ersten Punkt betonen, dass Schleswig-Holstein überdurchschnittlich viele Medizinstudienplätze anbietet. Und zum zweiten Punkt weise ich auf die Akademisierung der Gesundheitsberufe hin.
Was sind die größten Herausforderungen in der Bildungspolitik im Hinblick auf die Digitalisierung?
Wir stehen in dieser immer stärker digitalisierten Welt vor einer großen Herausforderung, denn wir bilden unsere Kinder in der Schule für die Zukunft aus. Wir möchten ihnen Kompetenzen vermitteln, auf die sie zurückgreifen können, um sich in der sich stetig verändernden digitalisierten Welt selbstbewusst zurechtzufinden.
Dies sind die wesentlichen Kompetenzen, die es beim Lernen mit Medien und im Lernen über Medien zu erreichen gilt: 1. Suchen, Verarbeiten und Aufbewahren, 2. Kommunizieren und Kooperieren, 3. Produzieren und Präsentieren, 4. Schützen und sicher Agieren, 5. Problemlösen und Handeln und 6. Analysieren und Reflektieren. Diese Kompetenzen werden wir in unseren Lehrpläne und Fachanforderungen als Vorgabe für die Schulen verankern. Die Lehrerinnen und Lehrer in Schleswig-Holstein sind sehr engagiert und aufgeschlossen bei diesem Thema, das zeigen die zahlreichen Initiativen und Bewerbungen für das Modellschulprojekt des Ministeriums. 113 Schulen im Land sind bereits digitale Modellschulen, in diesem Jahr kommen 50 weitere hinzu. Es entsteht ein großes digitales Netzwerk, von dem alle 800 Schulen profitieren werden.
Die Anforderungen an die Berufe im Gesundheitswesen wachsen ständig.
-Karin Prien
Wie empfinden Sie den Trend zur Akademisierung vieler Ausbildungsberufe – zum Beispiel die Studienangebote Logopädie oder Ergotherapie an der Uni Lübeck?
Landesregierung und Wissenschaftsrat unterstützen eine „Teil-Akademisierung“ einiger Gesundheitsfachberufe. Der Wissenschaftsrat spricht sich für eine Quote von 10 bis 20 Prozent aus. Hintergrund ist die zunehmende Zahl älterer und multimorbider Menschen auf der einen Seite aber auch der medizinische Fortschritt mit neuen Möglichkeiten in Diagnostik, Therapie, Rehabilitation auf der anderen Seite.
Die Anforderungen an die Berufe im Gesundheitswesen wachsen ständig. Die von Ihnen angesprochen Studiengänge Ergotherapie und Logopädie an der Universität Lübeck werden ganz neu angeboten und bauen auf der Berufsausbildung auf. Der Wunsch der Betroffenen selbst nach einer Möglichkeit der akademischen Ausbildung ist groß. Dies gilt insbesondere für die Physiotherapie mit sehr hohen Bewerbungszahlen. Aber auch für die Pflege, die Hebammenwissenschaft und die Studiengänge Logopädie und Ergotherapie wollen viele mehr und anders als bisher lernen. Ich finde es daher ein gutes zusätzliches Angebot, wenn wir den jungen Menschen ein für sie kostenloses Studium in Schleswig-Holstein anbieten können. Das sehen auch die Berufsverbände so.
Wenn Sie eine Sache auf der Welt einfach so ändern könnten, dann wäre das …?
… allen Mädchen den Zugang zu Schule und Bildung zu ermöglichen.
TEXT Joachim Welding
FOTO Frank Peter, Sebastian Weimar