Wir haben uns mit dem Oberbürgermeister Dr. Olaf Tauras getroffen und erfahren, was er mit 17 in Neumünster machen würde.
Neumünster hat ein schlechtes Image. Viele Menschen mit Migrationshintergrund. Viele Arbeitslose. Die viertgrößte Stadt in Schleswig-Holstein leidet sehr unter diesem Image, denn auch die Neumünsteraner sind nicht immer begeistert von ihrer Stadt. Dabei hat Neumünster jede Menge Schönes zu bieten, findet auch Oberbürgermeister Dr. Olaf Tauras. Er kommt gebürtig nicht aus Neumünster, hat sich aber vor zehn Jahren dort niedergelassen. Durch den Job wurde die Stadt zu seiner Heimat – er erzählt, warum es ihm dort so gefällt und welche Ziele er verfolgt.
Seit 2009 ist Dr. Tauras Oberbürgermeister von Neumünster. Vor fast zehn Jahren hat er mit seiner Frau ein Haus in Gadeland gebaut. Parteilos gewählt, liegen ihm vor allem das Image und Arbeitsplätze am Herzen. „Die Menschen hier sind nett, es gibt günstigen Wohnraum und die geographische Lage im Land ist perfekt. Ich fühlte mich hier sofort willkommen“, erinnert sich der 46-Jährige. Er kannte Neumünster überhaupt nicht. Lernte es aber als einen Ort kennen, der Potenzial habe. „Ich finde es schade, dass die Neumünsteraner ihre Stadt nicht mögen. Die Menschen sind herzlich, solidarisch und ehrenamtlich extrem aktiv“, findet Tauras. Allerdings hat Neumünster mit Überalterung zu kämpfen. Die jungen Leute wandern ab, meist zum Studieren, denn eine Uni fehlt. „Das ist bei uns ein riesen Thema, denn wenn wir Fachkräfte in der Stadt behalten wollen, muss auch die Ausbildung hier stattfinden. Wer erstmal in Hamburg, Kiel, Berlin oder woanders war, kommt nicht zurück“, weiß er. Dabei habe Neumünster wirklich einiges zu bieten, findet er. Einen schönen Tierpark, süße Cafés, interkulturelle Veranstaltungen, ein Spaßbad und seit es das Designer-Outlet-Center gibt, das jetzt sogar noch ausgebaut werden soll, hat auch der Oberbürgermeister deutlich weniger Gründe, in die nächstgelegene Großstadt zu fahren. „Einen vernünftigen Anzug bekomme ich dort. Nur wenn ich bestimmte Kunst oder das Meer sehen will, muss ich weg“, sagt Tauras. „Naja, und Ski fahren ist hier auch irgendwie schwierig“, schmunzelt er.
100 Nationalitäten – Last oder Potenzial?
Mehr als 100 Nationalitäten leben in der kreisfreien Stadt. Last oder Potenzial? „Na klar, wir haben hier viele Migranten, die auch manchmal arbeitslos sind. Aber wenn man davon mal absieht – schließlich gibt es das woanders auch – ist die kulturelle Vielfalt ein wahrer Gewinn. Unsere Stadt profitiert davon und es entsteht schon so eine Art Kiez“, sagt Tauras. Es gibt vier Moscheen „und die beteiligen sich am kulturellen Leben, sind bei vielen Veranstaltungen dabei“. Schön findet Tauras, dass die Stadt klein genug ist, um sich zu kennen, und groß genug, um ein Stadtgefühl zu erleben. Außerdem gibt es eine gute Infrastruktur mit Einzelhandel, Krankenhaus, Theater, Schwimmbad, Tierpark, Museen und Kultureinrichtungen. Viele Kindertagesstätten wurden gebaut, sodass etwa 40 Prozent der unter Dreijährigen einen Krippenplatz bekommen können. „So wird Neumünster auch für junge Familien interessant. Mit dem Bau eines neuen Einkaufszentrums zwischen Teich und Bahnhof geht es noch in diesem Jahr los. So wird das Image der Stadt stetig verbessert, wozu das Outlet-Center schon viel beigetragen hat.“ Neumünster ist eine Industriestadt und es habe Tradition, dass hier fremde Menschen herkommen und die Neumünsteraner sie will- kommen heißen. „So habe ich es auch erlebt. Mittlerweile habe ich hier gute Freunde und Bekannte. Wenn ich wegen eines neuen Jobs nicht irgendwann weit weg muss, sondern in Schleswig-Holstein oder Hamburg arbeite, werde ich in Neumünster wohnen bleiben. Natürlich will ich am liebsten nächstes Jahr als Oberbürgermeister wiedergewählt werden“, sagt Dr. Tauras, nicht aus politischem Kalkül, sondern weil er hier noch einiges bewegen möchte.
„Wenn ich 17 wäre…“
Wenn er mal nicht die Stadt regiert, sondern sein Privatleben genießt, ist er gern am Einfelder See. Auch im städtischen Herz, dem Großflecken und dem Kleinflecken, hält er sich gerne auf. Kulturell kann er den Gerisch Skulpturenpark empfehlen. „In einer alten Villa aus der Jahrhundertwende und dem wunderschönen Garten wird moderne Kunst ausgestellt“, sagt er. Wenn er allerdings 17 wäre, würde er in Neumünster die guten Locations, wie zum Beispiel den Club Orange Blue besuchen oder ab und an mal nach Hamburg oder Kiel fahren. Als Stadt zwischen den Großstädten hat man eben immer die Wahl. Heute ist der Oberbürgermeister allerdings eher auf ein Bier im Klatsch-Palais zu finden. Neumünster ist seine Heimat geworden. „Ich habe die Stadt lieb gewonnen, und meiner Frau gefällt es sogar noch besser“, weiß er.
TEXT & FOTO Kim Julia Schöffler