Die Holstenschule in Neumünster ist das älteste Gymnasium der Stadt und wurde zunächst als Jungenschule gegründet
Wenn sich Harry Potter außer in Hogwarts an einer Schule wohl gefühlt hätte, dann wohl in der Holstenschule in Neumünster. Sie ist das älteste Gymnasium der Stadt – gegründet 1871 – und strahlt den Charme eines alten Gemäuers aus. Zunächst durften sogar nur Jungen dort zur Schule gehen. Der heutige Schulleiter, Arno Engelmann, besuchte die Schule sogar zu der Zeit, als noch keine Mädchen zugelassen waren, denn erst 1973 war es den Mädchen erlaubt, das Gymnasium zu besuchen. Heute steht die Schule für Toleranz, Dynamik, Respekt, Leben, Innovationen und die Lust auf Experimente in vielerlei Hinsicht.
„I want to be“. Die Lichtinstallation der Flensburger Künstlerin Elsbeth Arlt auf dem Dach der neuen Sporthalle begrüßt in großen Buchstaben alle Besucher, die die Schule von der Wittorfer Straße her erreichen. In den Abendstunden leuchtet die Botschaft weit in die Dunkelheit. Frei übersetzt: „Ich möchte jemand sein“ – was auch beinhaltet: „Ich möchte etwas werden“. „Dieser zentrale Wunsch eines jeden Kindes und eines jeden Jugendlichen steht im Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit an der Holstenschule. Wir wollen die uns anvertrauten Schülerinnen und Schüler stark machen, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten erweitern und mithelfen, sie in ihrer Persönlichkeit zu festigen. Alle Vorhaben dieses Schulprogramms orientieren sich an diesem Ziel“, so die Philosophie.
Dazu gehört natürlich auch ein gutes Schulprogramm. Die Holstenschule ist ein reines G8-Gymnasium. Was war das nochmal? Ach ja. Das Abitur nach der zwölften Klasse. An der Holstenschule durchläuft jeder Schüler dazu noch die E-Klasse – eine Einführungsklasse in Stufe 10. Dann folgen die beiden Qualifizierungsjahrgänge. Ein bisschen kompliziert, aber an der Holstenschule hat sich das Programm mittlerweile bewährt und es kommt Routine in den Ablauf – auch für die Schüler. Dazu wurden Stundenpläne angepasst, Lehrpläne entschlackt und das Internet mehr in den Lernprozess eingebunden, denn die Schüler sind natürlich wesentlich jünger.
Interessen fördern
Eine Feinheit ist die sogenannte Neigungsklasse. Diese wird im Klassenverbund der Orientierungsstufe angeboten. Bedeutet, dass die Schüler jeweils eine Stunde mehr von einem Fach haben, was ihnen Spaß macht. „Das soll die Schülerinnen und Schüler motivieren, Lust auf Schule zu entwickeln“, erklärt Schulleiter Arno Engelmann. Das passt zu der toleranten Schule, die bei 1.100 Schülerinnen und Schülern etwa zehn Prozent Kinder mit Migrationshintergrund unterrichtet. „Wir pflegen hier ein offenes und friedliches Miteinander“, findet Engelmann, der sichtlich stolz ist auf „seine Schule“ und auf die Angebote außerhalb des üblichen Lehrplans.
Dazu zählt auch die Öffnung zu den europäischen Nachbarn. „Das ist uns ein besonderes Anliegen, denn 2002 wurde der Schule durch das Bildungsministerium der Status einer Europaschule zuerkannt“, berichtet Engelmann stolz. Die Schule verpflichtet sich dazu, den Gedanken der europäischen Einigung, die politische Bildung, die Studienfahrten und Schulpartnerschaften in den Unterricht einfließen zu lassen. Als weiterer Schwerpunkt muss in diesem Zusammenhang das Thema Schüleraustausch genannt werden. Neben der langjährigen Partnerschaft mit einer Schule in Frankreich haben in jüngerer Zeit Austauschmaßnahmen mit Schulen in Polen und England stattgefunden, Kontakte zu weiteren Ländern sind in der Diskussion. „Die Aufenthalte in Gastfamilien im Rahmen des Schüleraustausches ermöglichen mehr als bei jeder anderen Fahrt eine echte Begegnung mit einer anderen Sprache und Kultur“, findet der Schulleiter.
Diesen Ansatz verfolgen die Schüler auch beim Comenius-Projekt, das derzeit wieder an der Schule läuft. Das Thema ist „Europäische Minderheiten – Darstellung und Vergleich von Minderheiten in Dänemark, Deutschland, Österreich und Ungarn und Evaluierung ihrer Lebenswirklichkeiten, gemessen an den Vorgaben der Europäischen Union“. Neben der Erar- beitung des Themas begegnen sich die Schüler in allen vier Ländern und bekommen einen Einblick in die Situation der Minderheiten anderer europäischer Länder. Das erste Treffen war im März 2013 in Apenrade/Dänemark, das zweite ebenfalls im März 2013 in Neumünster, das dritte im November 2013 in Kecskemét/ Ungarn und das vierte wird im Frühjahr 2014 in Rein/Österreich stattfinden. „Wir wollen die individuelle Entwicklung der Schüler im Blick behalten und dazu gehören auch Projekte, die nicht direkt im Klassenzimmer stattfinden“, weiß auch Oberstufenleiterin Birgit Heyen.
Fokus Berufsorientierung
Natürlich sollen die Projekte, Unterrichte und die außerschulischen Aktivitäten neben dem Spaß an der Sache vor allem dazu beitragen, dass sich die Schüler später im Leben gut zurechtfinden, im Berufsleben klarkommen und die Neugier erhalten bleibt. Als Vorbereitung auf die Zeit nach der Schule, lässt sich die Schule einiges einfallen und unterhält Kooperationen zu Firmen. Jetzt gerade fand das zweitägige Assessment Center statt. Das ist eine beispielhafte Durchführung von Bewerbertestverfahren in Kombination mit Vorträgen zum Thema „Erfolgreiches Bewerben“. Betriebspraktikum, Bewerbungstrainings, Besuche im Berufsinformationszentrum, Berufs- und Studienberatung durch die Agentur für Arbeit, Infoveranstaltungen zu Themen wie „Wege nach dem Abitur“, ein Besuch der Nordjob-Messe und ein Wirtschaftspraktikum sind nur einige Punkte, wie das Gymnasium den Schülern den Weg nach der Schulzeit erleichtern möchte. Immer mit dabei sind die Eltern. „Sie sind engagiert und sorgen für anspruchsvolle Kooperationen mit Firmen vor Ort. Die Barmer-Versicherung, das First-Reisebüro und das Wasser- und Verkehrskontor sind regelmäßig an Bord.“ Toleranz steht für die Verantwortlichen der Schule neben dem Bildungsauftrag ganz oben auf der Agenda. Seit 2002 gibt es an der Holstenschule daher ein differenziertes Konzept zur Suchtprävention, das ursprünglich unter dem Namen „Gläserne Schule“ eingeführt wurde, da es mit einer großen Umfrage unter Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften begann. Inzwischen hat sich die „Gläserne Schule“ zu einer lebendigen Plattform weiter entwickelt, die auch aktuelle Themen und Ansätze der Medienpädagogik umfasst: Mobbing, Umgang mit dem Internet, Essstörung und Elternseminare, denn neben den Schülern müssen auch die Eltern in die Thematik eingeführt werden.
Projekte, Tanzen und Engagement
Neben diesen schweren Themen machen es sich die Schüler an der Holstenschule seit drei Jahren aber auch immer wieder nett. Beim Winterball zum Beispiel. 800 bis 900 Leute, Aktuelle, Ehemalige, Lehrer, Schüler. Alle feiern in den alten Mauern der Schule. „Das organisieren die Schüler in Eigenverantwortung. Und das Aufräumen am nächsten Tag funktioniert auch jedes Mal einwandfrei“, sagt Engelmann nicht ohne Stolz.
Mit besonderem Stolz erfüllt die Schule auch das Waisenhaus Benin beziehungsweise das Projekt dahinter. Durch viele Aktivitäten an der Holstenschule (Preislaufen, Flohmarkt, Schulfest, Kuchenverkauf, Spenden Ehema- liger u.v.m.) konnte das Waisenhaus in den letzten zwei Jahren durch einen erheblichen Betrag unterstützt werden. Da sich viele Eltern und Schüler sehr aktiv an diesen Aktionen beteiligt haben und dadurch ein Verständnis für das „Projekt Waisenhaus Benin“ gewachsen ist, wird es weitere Aktivitäten geben, zumal die Schulkonferenz der Holstenschule Neumünster einstimmig der Patenschaft zum Waisenhaus zugestimmt hat. Zusätzlich gibt es in unter- schiedlichen Klassenstufen von Lehrern begleitete Projekte, die sich im Allgemeinen mit dem Thema „Not in der Dritten Welt“ und im Besonderen mit dem Paten-Waisenhaus beschäftigen. Darüber hinaus haben Eltern, Schüler und Lehrer 2012 einen Verein zur Unterstützung des Waisenhauses gegründet. Dieser Verein wird in Zukunft alle Aktivitäten der Holstenschule für das Waisenhaus koordinieren und nach Aner- kennung der Gemeinnützigkeit auch Spendenbescheinigungen ausstellen können. „Das ist sehr typisch für die Schule, sich so zu engagieren und etwas Besonderes auf die Beine zu stellen“, findet Sara-Lena Garken, die sich an der Schule neben ihrer Lehrtätigkeit auch um die Pressearbeit kümmert.