Eine abgeschlossene Ausbildung zum Friseur, ein Meisterbrief, zwei Anstellungen als Salonleiter, die Selbstständigkeit sowie unzählige Styling-Jobs für Fashion- und Filmproduktionen. Als wir Enes Dogan zum ersten Mal gesprochen haben, hatte es der 22-jährige Hair & Make-up-Artist bereits weit gebracht (zu dem Artikel geht’s hier). Drei Jahre später interviewten wir ihn erneut und siehe da: Er hat noch einen drauf gesetzt!
Hallo Enes. Schön, dass wir uns erneut sprechen. Was ist seit unserem letzten Interview passiert?
Seit dem letzten Gespräch hat sich viel geändert! Meine Ziele haben sich gefestigt. Damals bin ich „herumgeschwirrt“, ich habe mich ausprobiert und wollte am liebsten alles machen. Irgendwann habe ich mir dann die Frage gestellt, wie lange das noch so weitergehen soll. Man kann sich nun mal nicht auf alles gleichzeitig konzentrieren. Ich habe mich dann hingesetzt, all meine Ziele aufgeschrieben und mir überlegt, welche für mich wichtig sind und welche nicht. Zwar gibt es immer noch mehrere Ziele, aber sie sind nun klarer definiert.
Welche Ziele waren dir denn am wichtigsten?
Mein größtes Ziel war die internationale Tätigkeit. Außerdem wollte ich als Trainer anderen Friseuren und Stylisten etwas beibringen. Auf diese zwei Ziele habe ich mich fixiert und das hat sich bewährt!
Du bist also international unterwegs. Wo hat dich dein Beruf zuletzt hingeführt?
Allein im Februar war ich in fünf internationalen Metropolen. Angefangen in Lissabon bin ich über New York nach Moskau und Mailand gereist. Dann war ich zwei Tage zu Hause und anschließend auf der Pariser Fashion Week.
Welcher Auftrag war für dich am spannendsten?
New York! Die Stadt, das Ambiente und die Arbeit dort sind einfach imposant. Die New York Fashion Week ist unter den Stylisten das Nonplusultra. Es gibt nichts Größeres, als dort zu arbeiten! Während der Ausbildung, das war mit 17 oder 18, habe ich einen Bericht über die New York Fashion Week im Fernsehen gesehen und gedacht: Wenn ich es schaffen würde, dort zu arbeiten, kann mich nichts mehr aufhalten! Und so hat sich ein Lebenstraum für mich erfüllt.
Wie kann man sich den typischen Arbeitstag eines Stylisten auf der New York Fashion Week vorstellen?
Mein Arbeitstag begann um 9 Uhr. Zuerst habe ich Backstage meine Station aufgebaut. Alle Arbeitsgeräte mussten in Reih und Glied liegen, damit ich sie auf Anhieb greifen konnte. Da hat jeder seine eigene Ordnung.
Am ersten Tag haben wir Stylisten uns um rund 250 Modelle von elf Designern gekümmert. Zunächst wurde uns vom „Lead Hairstylist“ Joseph Di Maggio gezeigt, wie die Haare der kommenden Modelle auszusehen haben. Und schon ging es los. Wenn wir die Modelle eines Designers frisiert hatten, sind diese zu den Make-up Artisten gegangen und von dort aus in die Garderobe. Dann kamen für uns Hair-Stylisten bereits die nächsten Modelle, wir haben die Styles besprochen und dann ging es weiter. Es war wie am Fließband! Backstage waren an die 100 Mitarbeiter im Einsatz, jeder Griff saß. Feierabend war um 22 Uhr, aber aufgrund der Zeitverschiebung hat es sich für mich wie 4 Uhr morgens angefühlt!
Das klingt stressig und nach großem Druck! Hast du eine Strategie, wie du damit umgehst?
Das stimmt, es ist stressig und der Druck ist da. Aber ich denke, wenn man sich seinen Lebensweg gezeichnet hat und seine Ziele verfolgt, kann einen keiner mehr aufhalten. Auch die Erschöpfung nicht. Denn solange man das, was man macht, gern tut, bringt die Arbeit Freude und wird einfach durchgezogen.
Etwas finden, was man gerne tut. Wäre das der Tipp, den du Schülern mit auf den Weg geben würdest?
Das kann man wohl so sagen. Viele versuchen einen Job zu ergattern, in dem sie viel Geld verdienen, obwohl ihnen die Arbeit gar nicht gefällt. Aber man wird etwa 45 Jahre arbeiten. Ganz ehrlich: Lieber sollte man etwas tun, was einem Spaß macht! Denn dann ist es eigentlich keine Arbeit mehr, sondern eher ein Hobby.
Gab es denn trotzdem mal einen Moment, in dem du am liebsten alles hingeschmissen hättest?
Ja, den gab es sogar einige Male. Seit ich 20 Jahre alt bin, bin ich selbstständig. Am Anfang verdient man nicht viel Geld und man weiß nie, ob am Ende alles klappt.
Auch in meinem späteren Berufsleben gab es immer wieder Monate, in denen die Aufträge einfach ausblieben. Ich musste mich dann echt zusammenreißen und mich immer wieder an die Ziele erinnern, die ich mir aufgeschrieben hatte. Ich habe mir selbst Mut gemacht und mir gesagt, dass sich alles irgendwann auszahlen würde. Der, der kämpft und Disziplin beweist, wird am Ende auch belohnt, davon bin ich fest überzeugt! Nun habe ich viele Buchungen auf der ganzen Welt. Für mich hat es sich also gelohnt!
Könntest du dir auch vorstellen, irgendwann nicht mehr mit deinem Beruf durch die Welt zu reisen und stattdessen einen festen Arbeitsplatz, zum Beispiel in einem eigenen Salon, zu haben?
An dieser Stelle verrate ich ein kleines Geheimnis: Ich habe mich entschieden, einen eigenen Salon zu eröffnen. Seit zwei Wochen bin ich dabei, einen kleinen 40 Quadratmeter Mini-Salon in der Nähe von Stuttgart zu renovieren. Das wird mein Baby! Feste Öffnungszeiten wird es nicht geben; ich plane aber, an drei bis vier Tagen in der Woche dort zu arbeiten. Die Kunden sind nicht meine Kunden, sondern Freunde und Bekannte. Außerdem werde ich den Salon als Büro nutzen, in dem ich meine Seminare vorbereite. In zwei bis drei Jahren finde ich vielleicht, dass ich genug von der Welt gesehen habe und bodenständiger werden möchte. Dann könnte ich mir vorstellen, einen größeren Salon zu eröffnen, mit Mitarbeitern und allem Drum und Dran.
Wann soll dein deinen Salon denn eröffnen?
Im Mai wird es soweit sein.
Apropos Mitarbeiter. Welche Eigenschaften muss jemand mitbringen, der Hair & Make-up-Artist werden möchte?
Ich glaube nicht, dass es auf bestimmte Voraussetzungen ankommt. Ich bin sehr konservativ aufgewachsen und habe meine Mittlere Reife in der Fachrichtung Metall gemacht. Beim Barbier habe ich nur als Aushilfe gearbeitet. Das hat mir aber so gut gefallen, dass ich auf eine Ausbildung zum Friseur umgesattelt habe. Anfangs waren viele skeptisch, einige haben mich sogar ausgelacht. Ich verstand nichts von Fashion und Beauty, außerdem war ich ein Junge und kam aus dem Handwerk – was hätte ich also in einem Friseursalon zu suchen? Das sind alles Vorurteile. Ich bin der Meinung, wenn man etwas von Herzen tun möchte, dann schafft man es auch!
Was fasziniert dich an der Arbeit als Hair-Stylist, dass du so für diesen Beruf gekämpft hast?
Es geht mir bei meiner Arbeit nicht so sehr um die Haare, sondern vielmehr um das „Drumherum.“ Ich liebe es, mit Menschen zu arbeiten. Dadurch, dass ich mit so vielen verschiedenen Kunden zu tun habe, lerne ich auch viel dazu. Außerdem kann ich am Ende ganz genau sehen, was ich geschafft und geschaffen habe. Ich verdiene mein Geld damit, Menschen mit einer neuen Frisur glücklich zu machen. Das ist ein schönes Gefühl! Jedes Mal, wenn ein Kunde aufsteht und ein Grinsen im Gesicht hat, geht es mir persönlich auch viel besser. Der Beruf erfüllt mich.
Und was wärst du geworden, wenn es mit dem Beruf nicht geklappt hätte?
Das ist schwer zu sagen. Aber wenn ich eines Tages kein Hair & Make-up-Artist mehr sein sollte, würde ich gerne mal Krawatte und Hemd anlegen, mich ins Büro setzen und so richtig spießig arbeiten. Im Management-Bereich vielleicht. Einfach, um die Welt einmal aus einer anderen Perspektive zu sehen!
Mit der Antwort hätte ich nun nicht gerechnet!
Ich schwimme nun mal immer gegen den Strom. Das ist für mich die Hauptsache (lacht).
Enes, danke für das Gespräch und viel Erfolg mit der Eröffnung deines Salons!
TEXT Vanessa Strehlow
FOTOS Jennifer Schubert, Philip Schwenk, Sergio-Avellaneda, Enes Dogan