Der kleine Mensch ist Neugier, der große sollte es bleiben

Der kleine Mensch ist Neugier, der große sollte es bleiben

Wie zwei Kitas in Dithmarschen den Forscherdrang fördern

Britta Pries ist bei der Industrie- und Handelskammer zu Kiel Netzwerkkoordinatorin für „Kleine Forscher mittendrin“, der Stiftung Kinder forschen in Berlin. Die Kitas Sternschnuppe in Heide und Friedensstern in Wrohm engagieren sich seit vielen Jahren für die Neugier und wurden seit 2014 alle zwei Jahre von der Stiftung als „Haus, in dem Kinder forschen“ zertifiziert.

Die gemeinnützige Stiftung Kinder forschen ist die größte Bildungsinitiative Deutschlands für pädagogische Fachkräfte in Kita, Hort und Grundschule. Sie kümmert sich mit ihren etwa 300 Netzwerkpartnern seit 2006 um frühe Bildung in den Bereichen MINT und BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung). Das Ziel: Kinder, die aktiv und nachhaltig ihre Zukunft mitgestalten.

Die Netzwerkkoordinatorin bei der IHK freut sich über die Energie der dithmarscher Teams: „Ich kann nur den Hut ziehen, wenn im Alltag noch Platz für solche Dinge ist. Oft fehlt es an Räumlichkeiten und finanziellen Mitteln.“ Wichtiger ist für sie allerdings die Frage der Haltung: „Welche Bedeutung haben MINT und BNE? Welchen Stellenwert hat das im pädagogischen Alltag oder kann es haben?“, so Pries.

Das funktioniert nur mit den engagierten Mitarbeitern vor Ort wie hier in Dithmarschen. Gudrun Ahmer leitet die Kita Friedensstern seit der Gründung 1998: „Die Motivation kommt von den Kindern selbst,“ macht sie deutlich. „Wir haben die Neugier der Kinder, ihre Alltagsfragen unterstützt.“ Und Fragen gibt es mehr als genug: Warum wird der Kaffee mit Milch hell? Was macht Wasser mit dem Sand in der Sandkiste? Und weil die Kita in Wrohm zum evangelisch-lutherischen Kitawerk gehört, kommen auch solche Fragen nicht zu kurz: Wie lange gibt es schon Wein? Steht das schon so in der Bibel?

Kind

Die Kinder sollen alles ausprobieren, was sie möchten.

Für Ahmer ist klar, dass auch die Eltern wieder Forscher werden müssen: „Bei unserem Forscher-Sommerfest beziehen wir die Eltern fest mit ein. Das Prinzip ist: Nicht für das Kind etwas tun, sondern mit dem Kind.“ Und sie gibt den Eltern ein einfaches, niedrigschwelliges Experiment mit nach Hause, den Graskopf. Es ist einfach durchführbar: Feucht halten und sehen, was passiert. „Man muss nur den Alltagsbezug herstellen, dann entstehen die herrlichsten Projekte,“ freut sich die Leiterin. So gab es ein Forschungsprojekt mit verschiedenen Hühnereiern und aktuell läuft eine Forschung mit angesähten Pflanzen, betreut von Ahmers Kollegin Anke Dahlmann.

Das Problem mit den ständig knappen Lagermöglichkeiten wurde beim Kita-Zweckverband Heide-Umland ganz pragmatisch gelöst: In einem Projekt mit dem Erlebniszentrum Phänomania in Büsum entstanden diverse Experimentierobjekte, die allerdings viel Platz benötigen. Die Lösung war bestechend einfach: Sie wurden auf die Kitas verteilt und werden zu passenden Gelegenheiten zusammengeholt.

In der Kita Sternschnuppe in Heide waren zur Überreichung der Zertifizierungsurkunde für 2024 alle Experimente präsent. „Forscher-Expertin“ Sabine Schmeling berichtet vom Erstkontakt zur Stiftung: „Eine Kollegin machte ein Projekt zum Thema Sterne. Darüber ist dann der Kontakt zustande gekommen und 2014 wurden wir das erste Mal zertifiziert.“ Und weiter: „Die Projekte entstehen wirklich aus dem Alltag, aus dem Spiel. Ganz einfach so und von den Kindern her. Anders geht es nicht, das hätte keinen Erfolg. Und die Kinder entwickeln Kompetenzen, denn beim Forschen gibt es kein ‚falsch‘. Es gibt immer ein Ergebnis.“

Blanka Volkens, Leiterin der Sternschnuppe, erzählt, was aus dem Forschen entsteht: „Selbst die Erwachsenen lernen dazu, von den Eltern bis zur Reinigungskraft. Ihre Neugier wird geweckt, denn normalerweise denken Erwachsene viel zu kompliziert. Kinder stellen einfache Fragen, sind spontan und staunen. Und sie lernen, sich etwas zuzutrauen. Das ist es, was Kinder in der Schule und im Leben brauchen.“

Kind spielt mit Sand

Jibder sollen neugierig bleiben

Die Erfahrung zeigt: Die Kita ist keine Konkurrenz für die Schule, stattdessen sichert sie den harmonischen Übergang dorthin. Bildung ist für die Kinder von elementarer Bedeutung. Aber auch Geduld ist wichtig – etwas, das in der schnelllebigen Welt von heute gerade Eltern oft nicht mehr haben. Sie sind durch Arbeitsverdichtung und Fachkräftemangel oft stark gestresst. Zusätzlich hat die Zeit der Pandemie bei den Kindern offenbar deutliche Spuren hinterlassen: Pädagogen berichten häufig von nachlassender Fein- und Grobmotorik, von fehlendem Körpergefühl und anderen Defiziten. Fahrradfahren entwickelt sich ebenso wie Unsicherheit in fremden Umgebungen wie dem Schulweg zu einer Herausforderung. Dazu kommt bei den Kindern in den Zeiten von Smartphone und Social Media noch der Verlust von Lesekompetenz. Dem begegnet die Kita Sternschnuppe mit Besuchen in der Stadtbücherei, was die Kinder begeistert annehmen.

Die Stiftung Kinder forschen steuert mit ihrem Programm gegen diese Probleme. Sie bietet vielfältige Fortbildungsmöglichkeiten für die pädagogischen Fachkräfte, gerade im Bereich MINT und BNE. „Wichtig bleibt aber, dass die Kinder selbst die Ideen dazu haben,“ sagt Britta Pries, „das ist die pädagogische Haltung der Stiftung. Sie bietet eine große Bandbreite von Ideen und Angeboten zur Fortbildung. Wenn die Kinder sich fragen, warum die Blätter fallen und im Frühling wiederkommen, dann ist sie da und bietet die Weiterbildung zu Bildungsbegleitern an.“

Weitere Informationen:

Stiftung Kinder forschen: www.stiftung-kinder-forschen.de

Britta Pries, IHK zu Kiel: Email: britta.pries@kiel.ihk.de oder Telefon: 0431-5194-274

TEXT und FOTO Michael Ruff