TH Lübeck: Architekturausbildung – Build now!

TH Lübeck: Architekturausbildung – Build now!

Studis planen und bauen Haus der Autarkieforschung

Ganz neue Formen der Forschung und Lehre in der Architekturausbildung geht die Technische Hochschule Lübeck. Das erste Haus der Autarkieforschung in Norddeutschland auf dem Campus planen Studierende mit. Und demnächst dürfen sie auch beim Bau anpacken. Das Gebäude ist das Herzstück des Projektes Build Now!

„Wir wollen uns auf die Kultur der Bauhütte und der alten Baumeister rückbesinnen und die Ausbildung am Vorbild der alten Baumeisterausbildung orientieren“, erläutert Architektur-Professor und Projektleiter Georg Conradi. Er ist einer der Initiatoren des außergewöhnlichen Projektes. „Die neue Richtung folgt dem Prinzip Learning by Doing, dem Lernen in und mit der Praxis.“

Die Studierenden sollen und dürfen selbst planen, konstruieren und bauen. Was sie bauen? Das Lern- und Forschungszentrum auf dem Campus mit Unterstützung von Profis und versierten Baufirmen.

Learning by doing im großen Stil

„Ich entwerfe gerade die Fassade, die zum großen Teil aus Holz und Glas bestehen wird“, erzählt Sechstsemester Tim Wagener, der seine Bachelor-Arbeit über das Projekt schreibt. „Dazu baue ich einen Fassadenausschnitt einer so genannten Pfostenriegel-Fassade als “Mockup- Modell“ in Originalgröße. Möglicherweise werden wir eine neuartige Vakuumverglasung verwenden, die in Deutschland bisher kaum eingesetzt wird. Das wäre eine echte Innovation“, beschreibt der angehende Architekt begeistert seinen Entwurf, der tatsächlich beim Neubau des Hauses berücksichtigt wird. Für Architekturstudierende ist dieses Projekt alles andere als selbstverständlich: Sie planen hier nicht theoretisch nur fürs Studium, sondern für die gebaute Realität, von der spätere Studierendengenerationen profitieren werden.

Überhaupt ist das Plus-Energie-Haus eine kleine Architektur-Sensation für Lübeck. „In der ersten Phase ging es uns um die Planung des Gebäudes, das dank des Einsatzes neuer Technologien mehr Energie erzeugt, als es verbraucht, berichtet Prof. Conradi. „Mit Build Now! haben wir ein nachhaltiges und zukunftsweisendes Modell für das Haus der Autarkieforschung entwickelt, wie wir es nennen. Wir verbinden damit eine viel stärkere Koppelung von Lehre, Forschung und der Nutzung eines Gebäudes. Studierende und ProfessorInnen lernen und entwickeln praxisnah, sie nutzen das Haus später selbst – und das mit einem hohen Innovationsgehalt für die Baustandards der Zukunft!“

Eine schematische Zeichnung von Gebäuden.

Vom Wettbewerbssieger zum echten Haus

Aus einem Studenten-Holzbauwettbewerb des Umweltministeriums SH ging 2012 das hochgelobte Sieger-Modell zweier Studentinnen hervor. Jetzt wollen die ProfessorInnen und Studierenden das ständig weiterentwickelte Gebäude gemeinsam mit KollegInnen aus dem Bereich Umwelttechnik und namhaften Baufirmen tatsächlich bauen. „Einen Standort auf dem Campus haben wir gefunden, das federführende Bildungsministerium SH ist einverstanden Anfang 2015 geht’s los“, meinen Georg Conradi, Renate Abelmann, Stephan Wehrig und Heiner Lippe. Auch der Gestaltungsbeirat der Hansestadt Lübeck hat sich für den studentischen Entwurf ausgesprochen. Die Finanzierung des 1,8 Millionen Euro teuren Forschungsprojektes ist durch Spenden und Drittmittel weitgehend gesichert. Dabei sind die reinen Materialkosten gar nicht so teuer. Die innovative Energiespeicherung und Personalkosten sind aufwändig.

„Wir wollen ein Lern- und Kulturzentrum bauen, das den größten Teil des täglichen Energiebedarfs über Sonne und Regen gewinnt“, erläuterte Professor Conradi. Ausschließlich erneuerbare Energien kommen dem Projektteam „ins Haus“. Die gewonnene elektrische Energie soll allerdings nicht, wie bei anderen Bauprojekten üblich, ins Stromnetz eingespeist werden. Stattdessen werde der Strom so gespeichert, dass er selbst genutzt werden kann. Auch eine netzunabhängige Trinkwasserversorgung soll es geben: Regenwasser von der 250 Quadratmeter großen Dachfläche wird aufgefangen und mit dem Prinzip der Umkehr-Osmose in sauberes Trinkwasser „verwandelt“.

Text Joachim Welding
Fotos
 Stefan Gruthoff, Ma A; TH Lübeck