Felix` Weg zum Meisterbrief
Erst keine Lust auf Schule, dann Zoff mit den Kollegen in der Ausbildung zum Elektroniker – Felix` Weg ins Berufsleben verlief bislang eher holprig. Dennoch ist er jetzt voll auf Kurs: Der 23-Jährige bereitet sich gerade per Fernstudium auf seine Meisterprüfung vor. Seine Lernmotivation bezieht er vor allem aus einer Erkenntnis: „Ich habe genau gesehen, was ich nicht machen möchte.“
Es ist nicht die Schulkarriere, die sich Eltern und Lehrer erträumen. Gleich sechs verschiedene Schulen – darunter ein Internat – hat Felix während seiner 13-jährigen Schulzeit besucht. Den Schlusspunkt setzte er mit der Fachhochschulreife am Regionalen Berufsbildungszentrum (RBZ) Technik in Kiel. „Ich hatte nie den wirklichen Sinn im Lernen gesehen“, berichtet Felix mit Blick auf seine turbulente Schulzeit. Obwohl er nie Probleme hatte, dem Unterricht zu folgen, fühlte er sich im System Schule nicht wohl.
Mittlerweile wohnt er mit seiner Freundin in Kiel und hat seinen Gesellenbrief als Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik in der Tasche. Seitdem er seinem Ausbildungsbetrieb den Rücken kehrte, hilft er nebenher in der Firma seines Vaters aus und konzentriert sich ansonsten auf den Fernunterricht. Sein ehrgeiziges Ziel: Er will den Lehrgang zum Elektronik-Meister so schnell wie möglich absolvieren. „Wenn es alles so klappt, wie ich es mir ausgerechnet habe, bin ich ein halbes Jahr früher fertig“, erläutert Felix.
Bis zum Meisterbrief muss er noch vier Lehrgänge an der Fernakademie für Erwachsenenbildung mit Sitz in Hamburg erfolgreich bestehen und die Meisterprüfung an der Handwerkskammer ablegen. Dazu kommen noch mindestens vier Seminare, für die die Teilnehmenden zwischen zwei und zehn Tagen vor Ort sein müssen. Zwei der vier Kurse hat er bereits absolviert – mit sehr guten Noten. Die Regelzeit will Felix daher nicht abwarten, er will so schnell es geht sein eigener Chef sein. „Ich möchte meine Idee handwerklicher Arbeit als Selbständiger verwirklichen“, sagt Felix.
Dass er es kaum abwarten kann, seinen Meisterbrief in der Hand zu halten, liegt auch an seinen Erfahrungen in der Ausbildung. Als Felix im Januar 2019 bereits nach zweieinhalb Jahren seine Elektronikerausbildung beendet, liegen ungemütliche Monate hinter ihm. Mit einigen Kollegen gab es immer wieder Ärger. „Und das nur, weil ich meine Meinung gesagt habe“, erzählt Felix. Am Anfang sei er überrascht gewesen, wenn die Kollegen im Büro freundlich miteinander umgegangen sind, zu den Lehrlingen jedoch unfreundlich waren. „Die normalen Umgangsformen galten offenbar nicht für die Auszubildenden.“ Das konnte Felix weder verstehen noch akzeptieren.
Natürlich gebe es Aufgaben, die traditioneller Weise die Lehrlinge zu erledigen hätten. Das sei grundsätzlich auch in Ordnung. „Wenn es aber heißt: ‚Jetzt fege mal den Hof, was anderes kannst Du ja eh nicht‘, dann finde ich das unangemessen“, sagt Felix. „Das ist vielleicht eine schlechte Handwerkstradition.“ Die Ausbildung wollte er trotz der miserablen Atmosphäre zu Ende bringen – und erlangte nach zweieinhalb seinen Gesellenbrief mit guten Noten.
Mit der Arbeit war der Chef seines Ausbildungsbetriebes immer zufrieden, er hätte ihm sogar die Fortbildung zum Meister bezahlt, um ihn im Betrieb zu halten. „Ich habe aber wirklich keine Lust auf ein Angestelltendasein. Da gibt es immer Leute, die ihren Frust an einem auslassen.“ Dass es auch anders laufen kann, hat er im elterlichen Betrieb gesehen. „Wir arbeiten hier mit gegenseitiger Wertschätzung Hand in Hand – völlig unabhängig von Alter oder Position.“ Diese Werte möchte Felix als selbständiger Elektronikmeister vorleben. Die Weiterbildung zum Elektronikermeister sei für ihn daher keine Flucht, sondern eine Qualifikation, um seine Vorstellung von Arbeit umzusetzen.
TEXT & FOTO Lutz Timm