Bei NULL angefangen

Bei NULL angefangen

Wenn Startups Erfolg haben, beziehen sie gerne protzige Lofts aus Glas und Stahl und parken ihre nagelneuen Audis und BMWs auffällig vor der Haustür. Das Hamburger Startup Jimdo ist da anders. Die Firmenzentrale sitzt nicht in der teuren Hafencity, sondern in einem schlichten und unprätensiösen Fabrikgebäude in Hamburg-Altona und vor der Tür parken bloß Lieferfahrzeuge vom benachbarten Wein-Outlet. Dabei zählt Jimdo zu den weltweit führenden Anbietern von Website-Baukästen und beschäftigt 160 Mitarbeiter in Hamburg, San Francisco und Tokyo.

Matthias, wenn man durch euer Büro geht, erinnert einen die Atmosphäre sehr an eine große WG. Es riecht nach Essen, Hunde rennen durch die Flure und es wird viel gelacht.
So sind wir einfach (lacht). Viele Startups ähneln sich sehr und kopieren sich gegenseitig, wir dagegen gehen unseren eigenen Weg und gucken, was für uns funktioniert. Als wir 2007 angefangen haben, unseren Website-Baukasten zu entwickeln, haben wir uns nicht einen einzigen Wettbewerber angeschaut, sondern einfach das gemacht, wovon wir meinten, dass es für den Benutzer Sinn machen würde. Wir haben komplett bei Null angefangen und uns nicht fremde Denkmuster abgeguckt. Das Ergebnis war, dass wir weltweit der erste Baukasten mit einer sehr einfachen und klar strukturierten Benutzeroberfläche waren.Die Teekücke im Jimdo-Office.

Diese Herangehensweise ist untypisch für Deutschland. Hier plant man gerne alles durch und geht ungern ein Risiko ein.
Das stimmt. Aber meine Mitgründer Fridtjof (Detzner) und Christian (Springub) hatten schon immer ein gesundes Selbstbewusstsein und Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Als die beiden noch zu Schulzeiten angefangen haben, Webseiten für Freunde und kleinere Unternehmen zu bauen, haben sie regelmäßig Aufträge angenommen, die für ihr damaliges Wissen zu schwer und kompliziert waren. Fridtjof und Christian dachten sich aber, dass sie das schon irgendwie hinkriegen. Sie wussten, dass etwas technisch machbar ist, aber nicht genau wie und haben sich dann die Lösung Schritt für Schritt selbst beigebracht.

Man kann heute mit dem Programmieren von Webseiten noch viel Geld verdienen. Wie kommt man auf die Idee, einen Website-Baukasten zu entwickeln, mit dem jeder User seine eigene Homepage selbst bauen kann?
Wir wollten eigentlich immer ein eigenes Produkt entwickeln und nicht bloß Webseiten für Unternehmen erstellen. Und als es damals mit dem Web 2.0 losging, sind viele Freunde auf uns zugekommen, die ihre eigenen Webseiten bauen wollten. So entstand Jimdo. Eine der ersten Seiten, die mit unserem Baukasten gebaut wurde, war ein Reisetagebuch von einem Freund, der zusammen mit zwei Kumpels von Kiel aus nach Sydney gesegelt ist. Er hat jeden Tag via Satellitentelefon Bilder und Geschichten von der Reise auf seiner Homepage gepostet. So konnten seine Eltern und Freunde immer hautnah erleben, was auf dem Segeltörn passiert ist.Ein farbiger Koch bereitet mahlzeiten zu.

Wie seid ihr auf den Namen „Jimdo” gekommen?
Wir wollten einen kurzen und einprägsamen Namen haben, der international funktioniert und keinen Schweinkram in irgendeiner Sprache bedeutet. Irgendwann kamen wir auf den Satz „Jim can do” und die Kurzform „Jimdo”. Alles andere war belegt oder hat sich komisch angehört. Mit dem Namen kann man viel falsch machen. Einer unserer Hauptwettbewerber aus den USA hat da einen Riesenbock geschossen: Er heißt „Wix” (lacht).

Viele Startup-Gründer wollen schnell ganz viel Geld verdienen. Was motiviert euch, was treibt euch an?
Wir drei sind überhaupt nicht geldgetrieben und träumen auch nicht von einem teuren und extravaganten Lifestyle. Geld ist für uns nicht wirklich wichtig. Wir wollen ein innovatives, nachhaltiges und international führendes Unternehmen aufbauen. Das ist unsere Motivation. Als wir angefangen haben, dachten wir auch, dass es toll wäre, die Firma irgendwann mit Gewinn zu verkaufen oder einen großen Investor ins Boot zu holen. Mit der Zeit hat dieses Ziel aber seinen Reiz verloren. Diese Firma macht einfach zu viel Freude und wir wollen unsere ethischen Standards und unsere Unternehmenskultur nicht über Bord werfen, nur um profitabler zu werden oder Quartalszahlen zu erreichen.

Die Drei Gründer der Webseiten-Baukastenfirma Jimdo lächeln in die Kamera.

Ihr habt euren Website-Baukasten eine Zeit lang über den Internet-Provider 1&1 angeboten, die Kooperation aber schnell wieder beendet.
Die Zusammenarbeit mit 1&1 war sehr lehrreich. Wir haben da gemerkt, wie wir nicht werden wollen. Wir legen sehr viel Wert auf das Produkt und eine gute Beziehung zu unseren Kunden und Mitarbeitern. Wir wollen, dass unsere Mitarbeiter lange und gerne bei uns arbeiten. Ein Laden wie 1&1 tickt da anders. Die können andere Sachen gut.

Man spürt in eurem Büro ein starkes Gemeinschaftsgefühl – fast wie auf einer Klassenreise.
Ja, wir haben hier alle jeden Tag richtig viel Spaß und treiben Jimdo gemeinsam mit viel Herzblut voran. Unsere Jahresausflüge heißen übrigens auch “Klassenfahrten” (lacht). Wir haben einen Bauernhof in Cuxhaven, wo unsere Mitarbeiter für ein paar Tage hinfahren können, um dort in Ruhe an einzelnen Projekten zu arbeiten. Es gibt da keine Störfaktoren von außen, bloß ganz viel Natur.

Die Mitglieder des Jimdo-Teams recken jubelnd die Arme in die Höhe.Wie stellt ihr sicher, dass die Leute, die ihr einstellt, auch wirklich zu euch passen?
Wir überprüfen immer, ob ein Bewerber fachlich und auch kulturell zu uns passt. Wir lassen Leute dafür immer einen Tag zur Probe arbeiten. Das ist für beide Seiten gut: der Bewerber lernt uns besser kennen und wir sehen, was er kann. Man erlebt da manchmal total positive Überraschungen. Am Ende entscheidet unser Bauchgefühl. Wenn wir uns nicht zu hundert Prozent sicher sind, stellen wir jemanden nicht ein.

www.jimdo.comwww.3founders.de

Jimdo bietet eine Ausbildung zum Fachinformatiker und Systemadministrator an. Bei Interesse könnt ihr einfach eine E-Mail an Fridtjof (fridtjof@jimdo.com) schicken.

 TEXT Slaven Marnivic
FOTOS Jimdo