Im Theodor-Schäfer-Berufsbildungswerk wird Eigenständigkeit gefördert und das nötige Maß an Hilfe gegeben
Alle Jugendlichen sind irgendwann einmal mit der Schule fertig und die meisten von ihnen wollen im Arbeitsleben Fuß fassen. Manche studieren, andere beginnen eine Ausbildung und manch einer muss sich noch ein wenig orientieren oder möchte zunächst etwas von der Welt sehen.
Grundsätzlich stehen allen Jugendlichen die gleichen Ausbildungswege offen. Wer jedoch eine Körper- oder Lernbehinderung hat, psychisch beeinträchtigt ist, mit einer chronischen Gesundheitsstörung oder einer Hörschädigung umgehen muss, hat es etwas schwerer. Deshalb sollte er sich vorab sehr genau informieren, ob er die mit dem Berufswunsch verbundenen Anforderungen auch erfüllen kann. Das bedeutet allerdings nicht, dass diese jungen Menschen auf eine Ausbildung verzichten müssen. Für behinderte Jugendliche, für die eine Regelausbildung nicht in Frage kommt, gibt es Ausbildungen mit besonderen Ausbildungsregelungen, bei denen die besonderen Bedürfnisse berücksichtigt werden. In rund 70 verschiedenen Berufen können sich z.B. Jugendliche im Theodor-Schäfer-Berufsbildungswerk (TSBW) in Husum ausbilden lassen. Die Inhalte der Ausbildungen sind methodisch auf die Bedürfnisse der jungen Menschen ausgerichtet. Entsprechend ausgebildete und erfahrene Lehrkräfte und Ausbilder stehen ihnen über die gesamte Ausbildungszeit hinweg zur Verfügung. Neben dem Fachwissen werden im TSBW auch der Umgang mit Kollegen, Vorgesetzten, betrieblichen Regeln, Pünktlichkeit und die Organisation ihres Arbeitsalltags im häuslichen Bereich trainiert. In eigenen Ausbildungsfirmen wird die betriebliche Arbeitswelt optimal simuliert und umgesetzt. „Formal erfolgt die Ausbildung nach den Vorgaben des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung. Die Prüfung legen alle, je nach Beruf, vor der Handwerks-, Landwirtschafts- oder Industrie- und Handelskammer ab“, erklärt Ausbildungsleiter Udo Rex.
Während der Ausbildung im TSBW gehen die Ausbilder und das pädagogische Personal mit viel Verständnis auf die jeweiligen Fähigkeiten der Azubis ein, um eine optimale Förderung zu gewährleisten. So erhalten alle Azubis die Chance anschließend in Betrieben zu arbeiten. Am Anfang der Ausbildung wird die passende Unterstützung zusammen mit der Agentur für Arbeit, den Fachleuten des TSBW und dem zukünftigen Auszubildenden besprochen.
Die Auszubildenden sind entweder in einem der Internate mit eigenem Zimmer oder in einer betreuten Außenwohnung untergebracht. Hier können alle Auszubildenden des TSBW nach Feierabend bei einem vielfältigen Freizeitangebot von den unterschiedlichsten Sportangeboten bis hin zu Partyabenden und gemeinsamen Unternehmungen Kraft tanken, soziale Kontakte knüpfen und gemeinsam Freizeit erleben.
Industriemechaniker lieben ihre Feilen
Als Industriemechaniker braucht man technisches und mathematisches Verständnis gepaart mit handwerklichem Geschick. Beides hat Patrick und die Begeisterung für seinen Beruf merkt man ihm auch deutlich an. Er absolviert seine Ausbildung im TSBW in Husum und ist dort im Grundlehrgang Metall. Jeden Tag steht Patrick mit Feile, Handbügelsäge und Bohrmaschine ausgerüstet an der Werkbank. Den Umgang mit den Werkzeugen lernte er vom ersten Tag und darf viele verschiedene Materialien ausprobieren: „Ich bekomme eine technische Zeichnung, zum Beispiel von einem Bügel, der aussieht wie ein Türgriff, dann bekomme ich ein Werkstück aus Metall, entweder Baustahl oder Flachstahl und dann geht es los“, berichtet er begeistert. Mit einem schelmischen Seitenblick auf seinen Ausbilder, Malte Homann, fügt er lächelnd hinzu „meine Ausbilder geben mir ja nichts, was schon passt“. Das bedeutet, dass Patrick zunächst die Maße prüft. Doch bevor er die Handbügelsäge ansetzen kann, muss das Metallstück entgratet werden, das heißt, die scharfen Kanten an den Enden müs- sen leicht abgefeilt werden, um sich nicht daran zu verletzen. Die Hauptwerkzeuge sind Feile, Hammer und Säge, wobei die Feile sehr häufig zum Einsatz kommt – hiermit wird das Werkstück immer wieder geglättet. Das Feilen ist die Feinarbeit, weiß Patrick sehr genau. Kopfarbeit ist beim nächsten Schritt gefragt, wenn das Werkstück angerissen wird. Die Fachausdrücke sind ihm geläufig. Anreißen ist die Übertragung der Zeichnung auf das Werkstück. Dazu wird an den entsprechenden Stellen auf dem Metall mit einem spitzen harten Nagel ein Strich gezogen, eben die Stelle markiert, an der gesägt oder gebogen werden muss. Metall zu biegen, heißt: „Immer drauf mit dem Hammer“, allerdings nicht mit roher Gewalt, sondern mit viel Feingefühl und Verstand: „Klar, Kraft gehört auch dazu, gut trainierte Oberarme bekommt man ganz automatisch“, sagt Patrick und lacht. Nach der Kraftanstrengung kommt wieder die Feinarbeit, wenn die Bohrungen von der Zeichnung auf das Metall übertragen und dann gekörnt werden. Auch dies erklärt der Azubi fachmännisch: „Man muss eine kleine Kerbe in das Metall schlagen, die den Bohrer führt, damit dieser nicht abrutscht und so die präzisen Bohrungen gesetzt werden können“. Nach diesen ganzen Schritten wird nur noch montiert und, wenn man genau gearbeitet hat, passen die Senkschrauben und das Werkstück zu 100 Prozent zur Zeichnung.
„Klar, Kraft gehört auch dazu, gut trainierte Oberarme bekommt man ganz automatisch.“
Patrick ist froh, sich für eine Ausbildung im Berufsbildungswerk entschieden zu haben, denn jeden Tag freut er sich auf seine Werkstatt und auch auf die Berufsschule, die alle vier Wochen für eine Woche als Blockunterricht in Flensburg ansteht. Das war für den Abiturienten nicht immer so, denn während seines Studiums, erkrankte er an Depressionen. Durch Beratungen bei der Agentur für Arbeit kam er auf die Ausbildung im TSBW, die er als sehr förderlich für seine Genesung ansieht. „Hier findet jeder seinen richtigen Beruf und sehr verständnisvolle Anleiter, die alle Unterstützung bieten, die notwendig ist“, freut sich der junge Mann, der seine Zukunft klar vor Augen hat. Nach der Ausbildung will er in die Industrie gehen und seinen Meister machen, denn Industriemechaniker werden immer gebraucht. Für jeden Herstellungsprozess werden Maschinen benötigt und damit auch Industriemechaniker. Sein Studium an den Nagel zu hängen, hat er nicht bereut: „Am Ende des Tages möchte ich etwas in der Hand halten, was ich geschaffen habe“. Sein Abitur helfe ihm zwar bei dem anspruchsvollen Schulstoff, bei dem gerade Mathe und Physik sehr wichtig sind, doch auch ein sehr guter Hauptschulabschluss oder der mittlere Schulabschluss sind ausreichend. Im TSBW gibt es auch die Möglichkeit den Schulstoff nachzuholen. In diesem Fall wird die Ausbildung unterbrochen, es werden Arbeitsgruppen unter Anleitung gebildet und zusammen gelernt, wie der Industriemeister und Ausbilder Malte Homann erklärt. Er fasst das Motto aller seiner Anleiterkollegen zusammen: „In der Ruhe liegt die Kraft“.
TEXT Elizabeth Ganseforth
FOTOS TSBW