Bericht von der 2. Work-Flow-Grow Berufsmesse an der Toni-Jensen-Gemeinschaftsschule
Am 10. Oktober öffneten sich zum zweiten Mal in der Geschichte der Toni-Jensen-Gemeinschaftsschule (TJG) die Türen zur Berufsorientierungsmesse „Work-Flow-Grow“. Dieses Mal im laufenden Betrieb des Schulalltags. Und nicht etwa nach Schulschluss. Rund 40 Ausstellerinnen und Aussteller waren gekommen. „Wir haben fast keine Kugelschreiber mehr – die 5.-Klässler reißen uns diese förmlich aus der Hand!“, so jemand am benachbarten Messestand. Auch Gummibärchen liefen gut.
Für manche der Aussteller war es ungewohnt, neben den erwarteten Schülerinnen und Schülern ab Klasse 8 in der ersten Phase ihrer Berufsorientierung sowie den Oberstufenschülerinnen und -schülern auch sehr viele Jüngere an den Messeständen zu begrüßen. Dass die zweite Berufsmesse an der Gemeinschaftsschule TJG im Stadtteil Dietrichsdorf in der Pausenhalle und den Gängen der Schule an einem ganz normalen Schultag stattfindet, ist der Tatsache geschuldet, dass die Toni-Jensen-Schule eine gebundene Ganztagsschule ist. Das heißt eine Gemeinschaftsschule mit integrierter Oberstufe, die Mensa und die Cafeteria werden auch von Schülerinnen und Schülern der benachbarten Grundschule genutzt. Gebunden bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler verpflichtend bis nachmittags in der Schule betreut werden. Die Schülerinnen und Schüler leben hier, haben Unterricht, bekommen ein warmes Mittagessen und machen Hausaufgaben. Im Fokus des Schulprogramms sind das selbständige Lernen und eigenverantwortliches Handeln verankert, ebenso die Offenheit gegenüber anderen Menschen und Kulturen.
Besondere Schule – besonderes BO-Messekonzept
Bei der Schwerpunktsetzung der Toni-Jensen-Gemeinschaftsschule wird die berufliche Orientierung stärker hervorgehoben als bisher. Sie hat zum Ziel, alle Schülerinnen und Schüler schon ab Klasse 5 mit der Arbeitswelt bekannt zu machen. Daher dürfen auch die Kleinen partizipieren, wenn für die Großen etwas angeboten wird. Dietrichsdorf gehört zu den Kieler Stadtteilen auf dem Ostufer, in denen das Einkommen der Bevölkerung im Vergleich zu den Bewohnern der wohlhabenden Viertel auf dem Westufer deutlich niedriger liegt. Es gehört zum Konzept der Schule, dass Jüngere und Ältere sich gemeinsame Räume teilen. Ann-Kathrin Wille, Koordinatorin für Berufsorientierung an der TJG über den diesjährigen Messeerfolg: „Ich bin total zufrieden! Ich freue mich darüber, dass so viele Schülerinnen und Schüler begeistert und offenherzig auf die Aussteller zugehen. Manche hatten sogar ihren Praktikumszettel dabei.“
Erlebnis Messerundgang – die Jungen Wilden gehen on-Air
Heute ist ein besonderer Tag für Omar (17), Selim (18) und Melih (16), alle drei sind Schüler der 11. Klasse an der Toni-Jensen-Gemeinschaftsschule. Sie durften, begleitet von der ME2BE-Redaktion, einen eigenen, medialen Messerundgang starten. „Hey, wir kommen ins Internet!“, freut sich Omar. „Krass“, findet auch Melih. Die Aufregung legte sich ein wenig, als unser ME2BE-Werkstudent und Kameramann Ajet auf Anhieb den richtigen Ton auf der passenden Wellenlänge traf: „Salem Aleikum, Jungs! Seid ihr ready?“ Und schon ging es los: „Kamera läuft“. Zunächst einmal besuchten die drei Schüler den ME2BE Messestand und kamen mit Online-Redakteurin Patricia ins Gespräch: „Was fragt man denn so?“, tuscheln die drei und stecken ihre Köpfe zusammen. – „Kommt darauf an, was ihr wissen wollt,“ antwortet Patricia. Sie möchte es den Jungs nicht allzu leicht machen. Professionelle Fragen zu stellen will nämlich gelernt sein.
Ausprobieren, mutig sein und fragen, fragen, fragen
Das klappt für das erste Mal recht gut. Disziplin und Fokussierung sind wichtig, wenn man sich nicht ständig verhaspeln will. Selim kann sich durchaus vorstellen, Journalist zu werden. Er fragt, was ME2BE für ein Unternehmen ist, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Berufe haben. Die Jungs registrieren, dass die Agentur als Organisatorin der Berufsmesse das eigens für die Toni-Jensen-Schule produzierte Messemagazin „Work-Flow-Grow“ gestaltet hat. Dass ME2BE auch noch „irgendwas mit Social Media“ macht, haben die drei Schüler längst verstanden, auch unter der Plattform DIGI:BO, dem Portal für den digitalen Berufsorientierungsunterricht, können sie sich etwas vorstellen.
Medienberufe – einmal kurz reingeschnuppert
Was sich allerdings hinter dem Begriff „Employer-Branding-Agentur“ verbirgt? – ‘KEINE AHNUNG’, scheint es den Schülern in Großbuchstaben regelrecht auf die Stirn tätowiert zu sein. ME2BE-Werkstudent Ajet ermutigt die drei, dranzubleiben und hartnäckig zu sein: „Na los, dann fragt halt nach!” Und auch ein vorbeikommender junger Referendar gibt offen zu, den Begriff noch nie gehört zu haben. Zur Erklärung: Employer Branding ist ein amerikanischer Marketing-Begriff und bedeutet, dass Unternehmen dafür Werbung machen, sich als Arbeitgeber-Marke zu präsentieren. „Wie lernt man denn sowas?“, ist Selim jetzt ernsthaft interessiert: „Gibt’s eine Ausbildung dafür?“ Patricia nimmt die kluge Frage gerne auf und antwortet bereitwillig: „Die meisten Leute, die als Journalisten oder Kreative in Agenturen arbeiten, haben studiert, zumeist etwas Geisteswissenschaftliches“, klärt Patricia auf. „Aber viele steigen auch über ein Praktikum ein“, verrät sie weiter.“ Du kannst auch mit einer Ausbildung zum Mediengestalter starten.“ Am Ende steckt in Medienberufen aber immer sehr viel „Learning-by-Doing“. Die drei bedanken sich bei ME2BE Online-Redakteurin Patricia für die guten Tipps. Jetzt wollen sie ihr neu erworbenes Wissen anwenden, und weiter geht’s zum nächsten Stand.
Selim, Omar und Melih wollen’s wissen – was bieten Sie an?
Die Stadtwerke Kiel stehen als Nächstes auf dem Programm. Die junge Mitarbeiterin steigt niedrigschwellig ein und fragt zunächst einmal ab, ob die drei Oberstufenschüler schon eine ungefähre Vorstellung davon haben, womit sich der Betrieb beschäftigt. Omar antwortet: „Ich glaube, es geht um Strom und IT-Anschlüsse und so weiter?“ Die junge Frau korrigiert: „Für’s Internet kommen wir nicht zu euch nach Hause. Aber Strom, Gas, Wasser und Wärme – dafür sorgen wir.“ Dass die Stadtwerke Kiel ein Energieversorger sind, dessen Gesellschafter die Landeshauptstadt Kiel (49 Prozent) und das börsennotierte Unternehmen MVV Energie (51 Prozent) sind, ist eine Information, die im Lärmpegel der Pausenhalle untergeht. Macht nichts. Sowas kann man ja später noch nachlesen.
Die freundliche Werft von nebenan
Die drei interessieren sich noch für die technischen Berufe, die das Kieler Unternehmen German Naval Yards Kiel anbietet – Selim möchte wissen, ob das Unternehmen auch außerhalb von Kiel operiert. „Wir sind ein Kieler Unternehmen“, ist die Auskunft, die Selim erhält. Unübersehbar, die Werft liegt am Ostufer, im benachbarten Stadtteil Gaarden. Das ist für Selim nicht ganz unwichtig. Dann schauen die Jungs noch bei Gosch & Schlüter vorbei, einem Unternehmen für Elektro- und Antriebstechnik. „Was kann man bei Ihnen für eine Ausbildung machen?“, will Melih wissen. Aktuell sind es zwei, die zum Elektroniker und die zum Mechatroniker, ist die Antwort. Omar versinkt derweil in einem Geschicklichkeitstest, den Gosch & Schlüter mitgebracht haben. Mittels einer Motorikschleife können die Schüler testen, ob ihre Feinmotorik gut genug ausgeprägt ist für diese Berufe.
Gute Beratung und Betreuung sind King
Interessant für die drei Toni-Jensen-Schüler ist auch der Besuch bei der Jugendberufsagentur und der Regionalen Berufsbetreuung der Stadt Kiel. Diese Organisationen kannte Omar noch nicht. Die VR-Brillen-Show der Jugendberufsagentur präsentiert Clips, in denen die Jugendlichen Berufstätige in ihrem Arbeitsalltag in Action erleben können. Dafür haben Selim, Omar und Melih jedoch keine Ruhe. Der Geräuschpegel in der Pausenhalle ist enorm. Nicht nur bei den Jugendlichen, auch bei den Erwachsenen löst der Stress der Reizüberflutung nach drei Stunden Messe-Trubel bei dem einen oder anderen Ermüdungserscheinungen aus. Dirk Heine von der Regionalen Berufsbetreuung kann sich schon von Berufs wegen gut auf überforderte Menschen einstellen. Er punktet mit klassischen Gesprächsangeboten und mit Flyermaterial für zu Hause. „Wenn ihr möchtet, ruft ihr mich gerne mal an. Wir beraten zu 100 Prozent vertraulich. Egal ob Probleme im Ausbildungsbetrieb, zu Hause oder mit der Freundin. Wir sind jederzeit für alle Kieler Azubis da.“ Denn das ist der Job von Herrn Heine, er kümmert sich als Mitarbeiter der Stadt Kiel um Jugendliche im Übergang von der Schule in den Beruf. „Gut zu wissen“, finden auch Selim und Melih. „Wie Schulsozialarbeiter – nur für Azubis“, fasst Omar zusammen.
Recruiting an der Toni-Jensen-Gemeinschaftsschule
Jörg Thomas, Schulleiter an der Toni-Jensen-Gemeinschaftsschule, ist begeistert vom Erfolg der Berufsmesse an seiner Schule: „Wir stellen fest, dass das richtig was bringt!“ Eine beeindruckende Bilanz, denn die „Work – Flow – Grow“ findet in diesem Jahr erst zum zweiten Mal in der Kieler Stadtteilschule statt. Jörg Thomas lobt das Messekonzept. Schülerinnen und Schüler hätten die Gelegenheit, die verschiedenen Berufe kennenzulernen. „Viele haben ja noch überhaupt keine Vorstellung davon, was sich dahinter verbirgt“, stellt der Schulleiter klar. Sein persönliches Highlight war auf der diesjährigen Messe, zu sehen, dass ein junger Mann, der an der Toni-Jensen-Schule seinen Abschluss gemacht hat, heute für sein Unternehmen andere junge Leute berät. Thomas ist sichtlich stolz auf seinen ehemaligen Schüler. Ein weiteres Highlight habe sich unverhofft ergeben, als ein anderes Unternehmen sich bei Thomas dafür bedankt habe, dass der vorjährige Messekontakt zu einer Schülerin dazu geführt habe, dass diese in diesem Jahr einen Ausbildungsvertrag unterschrieben habe.
Lokale Unternehmen stellen sich vor
Denise Bülow von der UKSH Akademie stellt Ausbildungsberufe vor, die man in der Kieler Uni-Klinik erlernen kann, wie Medizinisch-Technische Assistentin oder Pflegeberufe. Auch weniger bekannte Berufsbilder wie Diätassistent oder Technologin für Medizintechnik sind dabei. „Einige haben gefragt, ob sie bei uns Ärztin oder Arzt werden können. Denen musste ich sagen, leider nein. Das ist kein Ausbildungsberuf – darüber waren manche ein wenig traurig. Dafür muss man an einer Universität Medizin studieren.“
Csilla Kász ist Lehrerin am Bildungszentrum des Städtischen Krankenhauses, sie ist eine besondere Lehrerin. Denn sie ist promovierte Linguistin und gebürtige Ungarin. Ihre Aufgabe am Bildungszentrum ist die eines Sprachcoachs. Zum einen habe man immer mehr Auszubildende, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Aber auch immer mehr Patientinnen und Patienten. Und in den medizinischen Berufen auch immer häufiger Kolleginnen und Kollegen, die aus dem Ausland kommen. Die Medizin als Berufsfeld ist sehr international. Daher sei man am Städtischen Krankenhaus dazu übergegangen, die interkulturelle Kompetenz der Mitarbeitenden zu stärken. Auch deutsche Muttersprachler profitieren von Csilla Kász Unterricht. Sie lernen, worauf es in der Kommunikation mit Menschen ankommt, die sich nicht gut auf Deutsch verständigen können.
Internationalität spielt auch bei Sartori & Berger eine große Rolle. Die Arbeitssprache ist englisch. Die 1858 gegründete Hafenagentur mit 14 Niederlassungen an Nord- und Ostsee sowie am Nord-Ostsee-Kanal stellt den Beruf der Schifffahrtskaufleute vor. Egal ob potenzielle Kauffrau oder Kaufmann – kaum ein Jugendlicher könne sich konkret vorstellen, was sich hinter dem Beruf verbirgt, verrät der Ausbildungsleiter des Traditions-Unternehmens. Aber genau deswegen sei man ja hier. Es laufe kaum ein Schiff in die Kieler Förde ein, mit dem Sartori & Berger nicht direkt oder indirekt zu tun habe.
Auch die Probsteier Wurstfabrik aus Schönkirchen ist zur Berufsmesse der Toni-Jensen-Schule gekommen. Die häufigste Schülerfrage sei gewesen: „Wann produziert ihr endlich Sucuk?“ Das ist eine beliebte, stark gewürzte Wurst aus Südeuropa, der Türkei und arabischen Ländern. Das Autohaus Fräter informiert über Berufe in der Werkstatt und im Autohaus. Die Firma Rheinmetall hat ein Panzermodell mitgebracht. Das ist etwas zum Anfassen, das zieht. Für das Waffentechnik-Unternehmen ist es die erste Beteiligung auf der Toni-Jensen-Messe. Man wolle im nächsten Jahr definitiv wiederkommen. DBL Wulff Textilservice bietet gute Ausbildungschancen für Schülerinnen und Schüler an, die mit dem ESA abschließen – zum Beispiel den Beruf des Änderungsschneiders. Die beratenden Auszubildenden von EDUR Pumpentechnik zeigten sich beeindruckt von einer 8.-Klässlerin, die sich sehr interessiert an der Pumpentechnik gezeigt habe. Die sei eine brandheiße Anwärterin für ein Praktikum: neugierig und wissbegierig. Solche Kandidaten möchte man bei EDUR gerne haben.
Fazit: Eine gelungene Messe mit überraschenden Erkenntnissen!
Die Berufsmesse der Toni-Jensen-Gemeinschaftsschule hat zahlreiche Schülerinnen und Schüler zu den Unternehmensständen gezogen und somit für anregende Gespräche sowie einen produktiven Austausch gesorgt. Auch wenn die jüngsten Schülerinnen und Schüler noch nicht ganz so zielstrebig und informiert auf die Messestände zugegangen sind – sie sind eben erst in der 5. und 6. Klasse – sei den Ausstellerinnen und Ausstellern versichert: Aus Kindern werden Leute. Wir hoffen, dass die allerersten Begegnungen mit dem Berufsleben über den zweiten und dritten Kontakt und eine gute Praktikumserfahrung in wenigen Jahren zu vielversprechenden Bewerbungen führen.
Ein besonderer Höhepunkt für uns war es, zu beobachten, wie Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer erneut unser Messe begleitendes Magazin interessiert in den Händen hielten und mit nach Hause nahmen.
Wir blicken bereits erwartungsvoll auf das kommende Jahr!
TEXT Natascha Pösel
FOTO ME2BE