Vanessa (23) war für 8 Monate mit AIFS als Au Pair in Neuseeland.
„Geh’ ins Ausland – danach weißt du, was du werden willst.“ Das war der Tipp, der mir am Ende meiner Schulzeit mit Abstand am häufigsten gegeben wurde. Ein Gap Year, warum auch nicht? Nachdem ich 13 Jahre lang die Schulbank gedrückt habe, fand ich die Idee, auszubrechen und die Welt zu sehen, vorerst reizvoller als eine Ausbildung oder ein Studium. In welche berufliche Richtung ich gehen wollte, wusste ich ohnehin noch nicht.
Die Vorbereitung
Anfang Dezember hieß es für mich also Koffer packen. Erst kurz vor Weihnachten zu gehen machte den Abschied besonders schwer aber da ich gerne als Au Pair verreisen wollte, gab es eine Menge Vorbereitungen zu treffen und mein Programmstart zögerte sich um einige Wochen hinaus. Ich musste eine Mindest-Stundenzahl an Kinderbetreuung geleistet haben, Versicherungen abschließen, ein Visum beantragen und überhaupt erst einmal eine Gastfamilie finden, die zu mir passte. Aufwand, den ich eindeutig unterschätzt habe!
Die Ankunft: „Kia ora!“
Nach einem tränenreichen Abschied am Flughafen und 13 endlosen Stunden im Flugzeug kam ich endlich in Auckland an. Zum Glück war ich nicht alleine: Dadurch, dass ich bei einer Organisation angemeldet war, flog ich mit einer Gruppe von ca. zehn angehenden Au Pairs nach Neuseeland. Meine Gastfamilie traf ich an diesem Tag noch nicht. Besser so, denn mein müdes Gesicht und meine Reise-Jogginghose hätten bestimmt nicht den besten ersten Eindruck vermittelt! Stattdessen ging es für uns mit dem Shuttle Bus ins Hotel, für die sogenannten „Orientation Days.“
Diesen Moment werde ich nie vergessen!
Die Orientation Days: „Haere mai!“
Ein erste Hilfe Kurs am Kind, theoretischer Fahrunterricht (Linksverkehr!) und eine Einführung in die neuseeländische Kultur waren einige der Programmpunkte der zweitägigen Orientation in Auckland. Viel wertvoller war es für mich jedoch, mich mit den anderen Au Pairs austauschen zu können. Der Abschied von Zuhause fiel nämlich schwerer als gedacht und die Erwartungen an das Auslandsjahr waren groß.
Da meine Gastfamilie in Auckland lebt, holte sie mich direkt vom Hotel ab. Diesen Moment werde ich nie vergessen! Als meine Gastmutter mit zwei der Kinder die Empfangshalle betrat, habe ich sie sofort erkannt. Kurz war ich mir unsicher, wie ich meine Familie auf Zeit begrüßen sollte. Jetzt bloß keine peinliche Situation hinaufbeschwören! Doch da nahmen mich meine Gastmutter und ihre vierjährige Tochter Lola bereits in den Arm. Freundlich und „easy going“ wie die Neuseeländer eben sind. Nur der zweijährige Ed verstand nicht ganz, wer die Fremde mit den dicken Koffern und der komischen Aussprache war.
Das Au Pair Leben: „All good, mate!“
In meinem neuen Zuhause empfingen mich der elfjährige Ely und der 15-jährige Isiah, die zwei ältesten Söhne meiner Gasteltern. Ob die sich von einer 19-Jährigen wohl etwas sagen lassen würden? Ich war skeptisch. „Ab und zu wirst du sie fahren müssen. Achte bitte auch darauf, dass sie nicht zu viel Junkfood essen und, ach ja, lass’ sie sich nicht gegenseitig die Köpfe einschlagen“, so definierte meine Gastmutter meine Aufgaben bezüglich der zwei Jungs. Und tatsächlich kam es auch so, dass mein Alltag größtenteils von Ed und Lola bestimmt wurde. Ich brachte Lola jeden Morgen zu Fuß in den Kindergarten, spielte mit Ed in Playgroups, auf dem Spielplatz, am Strand oder zu Hause, ich machte Mittagessen für die beiden sowie einige leichte Hausarbeiten. Nichtsdestotrotz war ich in der Anfangszeit am Abend total erledigt. Noch nie zuvor hatte ich einen Vollzeitjob, hinzu kam die fremde Sprache und die ziemlich lebhafte Natur der Kinder. Da traf es sich gut, dass Annika, ein Au Pair das ich bei der Orientation kennengelernt habe, nur wenige Minuten entfernt wohnte. Unter der Woche haben wir den Tag häufig zusammen ausklingen lassen.
Die Trips und Reisen: „Sweet as!“
Was so klingt, als hätte mich Neuseeland in eine Hausfrau verwandelt, sah an den Wochenenden ganz anders aus. Die nutzten meine Freundinnen und ich nämlich, um Auckland und Umgebung zu erkunden. Mit den Autos unserer Gastfamilien fuhren wir an die traumhaftesten Orte, die ich mir hätte vorstellen können. Wir badeten an weißen Ständen im Coromandel Bay, schwammen mit Delfinen im Bay of Islands, sandboardeten in den Dünen des Caipe Reinga, machten eine Weintour auf Waiheke Island und wanderten das Tongariro Alpine Crossing.
Aber auch der Alltag mit meiner Gastfamilie wurde nie langweilig. Meine Gastmutter arbeitete von Zuhause aus und war flexibel genug, um häufiger Tagesausflüge mit den Kindern und mir zu unternehmen. So fuhren wir nachmittags auf eine Portion Fish and Chips ans Meer, wanderten auf den Mount Eden, gingen in den Zoo oder zum Bummeln nach Ponsonby.
Ein verschenktes Jahr? Im Gegenteil!
Der Abschied: „Ta, cheers!“
Im August musste ich mich nach acht Monaten von meiner Gastfamilie und meinem Traumland trennen, denn der Studienbeginn in Deutschland stand vor der Tür. Mein Auslandsaufenthalt hat mir nicht, so wie prophezeit, aus heiterem Himmel vor Augen geführt, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen möchte.
Aber er gab mir so vieles mehr! Wo ich als Fremde hinging, fand ich eine zweite Familie, die mich mein Leben lang begleiten wird. Ich schloss neue Freundschaften, lernte eine andere Kultur kennen und stellte mich persönlichen Herausforderungen. Ein verschenktes Jahr? Im Gegenteil! Mein Gap Year hat mich um Erfahrungen bereichert, die ich in einer Ausbildung oder einem Studium nie gemacht hätte.
Neuseeland hat mein Herz erobert und ich hoffe, es war kein Abschied, sondern nur ein „see you soon!“
TEXT & FOTOS Vanessa S.