Konsumjunkies der globalisierten Welt
Wir sind Konsumjunkies und leben bekanntlich in einer globalisierten Welt. In einer „Drei, zwei, eins…meins“-Welt, in der jegliches Produkt scheinbar nur einen Mausklick entfernt ist. Shoppen ist das neue Lieblingshobby. Ob in einem Einkaufszentrum, einer Einkaufsstraße oder vor dem Bildschirm. Die Kauflust der Deutschen ist so gut wie schon lange nicht mehr. Kulturforscher haben festgestellt, dass ein Europäer im Mittelalter durchschnittlich 56 Gegenstände besaß, heute sind es rund 10.000! Meistens ist es uns gar nicht bewusst, wie viel wir eigentlich besitzen. Wir finden es ist also an der Zeit, mal nachzuschauen, wo die alltäglichen Dinge in unserem Heim herkommen, wie sie entstanden sind und was das Wichtigste ist: welche Transportwege sie hinter sich haben, wenn sie bei uns ankommen.
Euro – Italiener in der Tasche
Geld regiert die Welt. Aber dass es auch um die Welt geht, zeigt ein Blick ins Portemonnaie. Bis eine nagelneue, deutsche Euromünze in unserem Geldbeutel landet, ist sie schon weit gereist. Ihr Hauptbestandteil Kupfer kommt aus Polen oder wird aus deutschem Elektroschrott gewonnen. In Deutschland gibt es fünf Prägeanstalten, die aus dem Kupfer und anderen Metallen ein Zahlungsmittel machen. Bevor eine neue Münze in die erste Kasse kommt, hat sie schon 1.500 km zurückgelegt. Noch weitere Wege haben ausländische Euro-Münzen hinter sich. Der Euro ist die offizielle gemeinsame Währung in 17 EU-Mitgliedstaaten sowie sechs weiteren europäischen Staaten, die zusammen die Eurozone bilden. Nach über 10 Jahren seit der Einführung haben sich die in- und ausländischen Münzen bereits gut vermischt. Stichproben der Deutschen Bundesbank aus dem Jahr 2012 haben ergeben, dass inzwischen 37 % der in Deutschland umlaufenden Münzen aus anderen Euro-Ländern stammen. Das sind mehr als 10 Milliarden ausländische Geldstücke. Am häufigsten zu finden sind dabei italienische Münzen. Rund 22 % der ausländischen Münzen kommen aus dem Lieblings-Reiseland der Deutschen. Prägungen aus Frankreich und Spanien folgen mit 17 beziehungsweise 16 % der ausländischen Münzen.
Quelle: Deutsche Bundesbank
Marokkanische Nordseekrabben
Globale Weltwirtschaft ahoi. Wer schon mal Krabben gepult hat, weiß, was dass für ein Gefummel sein kann. Selbst geübte Finger brauchen ein wenig Zeit, bis ein Brötchen belegt ist. Und weil diese Arbeit in Deutschland einfach zu teuer ist, verfrachten die großen Anbieter von Nordseekrabben ihre Fänge nach Marokko. Mehrere Tage braucht ein LKW für die knapp 3.000 Kilometer von Norddeutschland nach Nordafrika. Und dort werden die Krabben zu Dumpinglöhnen verarbeitet. Zum Beispiel in Tanger. In den Fabriken pulen tausende Frauen mit flinken Fingern bei Temperaturen um die neun Grad. Wer richtig gut ist, und vor allem rasend schnell, verdient rund 6 Euro pro Tag. Alle anderen Frauen bekommen für diese Knochenarbeit nicht einmal den in Marokko gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn. Um das Hin und Her von insgesamt 6.000 km sowie gut 10 Tagen vor Ort und auf der Autobahn gut zu überstehen, werden die Krabben ordentlich in Konservierungsmittel eingelegt. Ein Geschäftsmodell, das nur funktionieren kann, solange die Transportkosten gering sind. Der steigende Spritpreis, Klimaschutz, Mautgebühren und umweltbewusste Krabbenfans könnten aber bald einen Strich durch die Rechnung machen. Dann werden die Krabben auch wieder dort geschält, wo sie herkommen. Mit endlich mal funktionierenden Krabbenpul-Maschinen oder traditionell in Handarbeit. Und daran wird auch Europas erstes maschinelles Krabbenschälzentrum in Cuxhaven nichts ändern. Denn das ist mittlerweile schon wieder pleite.
Jeans – Weltenbummler
Weit gereist sind sie alle. Aber kein Kleidungsstück aus unserem Schrank hat einen weiteren Weg als die Jeans. Laut einer Studie besitzt jeder Deutsche etwa sieben Paar der ursprünglich für Cowboyhintern entworfenen Hose. Als Erfinder gilt Levi Strauss, und als Urmutter der Jeans die Levis 501. Am 20. Mai dieses Jahres feierte sie ihren 140. Geburtstag. Zum Jubiläum nehmen wir sie genauer unter die Lupe und zeigen, welche Schritte sie bei der Produktion durchläuft und wie viel Kilometer sie dabei zurücklegt.
1. Die Baumwolle für den Stoff kommt überwiegend aus Kasachstan oder Indien. Sie wächst auf großen Plantagen, wo sie geerntet und zur Weiterverarbeitung verschickt wird.
2. In der Türkei wird die Baumwolle in Spinnereien zu Garn gesponnen und weiterbefördert.
3. Aus diesem Bauwollgarn wird in den Webereien in Taiwan der Jeansstoff hergestellt.
4. In Polen wird die chemische Indigofarbe (blau) zum Einfärben des Jeansstoffes produziert.
5. In Tunesien werden das Garn aus der Türkei und der Jeansstoff aus Taiwan mit der Indigofarbe aus Polen eingefärbt.
6. In Bulgarien wird der jetzt fertige Jeansstoff veredelt, d.h. weich und knitterarm gemacht.
7. In China wird die Jeans zusammengenäht, mit Knöpfen und Nieten aus Italien
und Futterstoff aus der Schweiz.
8. Anschließend bekommt die Jeans in Frankreich den letzten Schliff. Sie wird gewaschen, z.B. mit Bimsstein aus Griechenland, wodurch sie den „stone-washed-effect“ erhält.
9. Die Jeans hat etwa 60.000 km hinter sich, wenn sie in die Regale der Kleidergeschäfte in Deutschland ankommt. (Nur zum Vergleich: Die Strecke einmal um die gesamte Weltkugel beträgt 40.000 km.)
Baumwolle
Wer verdient an meinem T-Shirt?
1% Löhne für die Näherinnen
11% Transportgebühren
13% Materialkosten
25% Forschung, Entwicklung und Design
50% Einzelhandel
Auch noch gut zu wissen:
Baumwolle kommt ursprünglich aus den Tropen und Subtropen, Hauptanbaugebiete sind heute Asien, Afrika und Südamerika. 25 Mio. Tonnen Rohbaumwolle werden pro Jahr geerntet. Würde man diese in 40 t LKWs verladen, bräuchte man 625.000 LKWs.
Ein T-Shirt der Größe L besteht aus 1 km Garn.
Jedes T-Shirt legt bis zur Ladentheke im Schnitt 4.000 km zurück.
Für die Herstellung eines herkömmlichen T-Shirts werden 2.700 Liter Wasser gebraucht, das macht 19 Badewannen oder Trinkwasser für 8 Monate.
Äpfel – Altes Land vs. Neuseeland
Äpfel sind das Lieblingsobst der Deutschen. Durchschnittlich essen wir 60 Stück pro Jahr. Aber was ist besser für die Umwelt? Ein Apfel aus Neuseeland, der 4 Wochen mit dem Schiff nach Deutschland anreist und etwa 22.000 km zurücklegt oder ein Apfel aus dem Alten Land bei Hamburg?
Überraschenderweise spielt hier nicht der Transportweg, sondern die Jahreszeit die entscheidende Rolle bei der Bestimmung der Klimafreundlichkeit der beiden Äpfel. Denn die deutschen Äpfel werden nach der Ernte im Herbst in kontrollierten Lagern bei ein bis zwei Grad Celsius gekühlt und so frischgehalten. Die lange Lagerung dieser Äpfel im Kühlhaus benötigt viel Energie und verschlechtert so ihre Klimabilanz.
Klimafreundlicher sind heimische Äpfel also nur in der Zeit von ihrer Ernte im September bis Mai. Ab Juni bis zur neuen Ernte im September sind Äpfel aus Chile oder Neuseeland deshalb klimafreundlicher als Äpfel aus Deutschland. Die monatelange Lagerung im Kühlhaus hat dann mehr Energie verbraucht als der Transport um die halbe Welt.
Blumen für Mutti
Ein Strauß Rosen für Mutti zum Muttertag? Vorsicht, wenn du zum Bund aus dem Discounter greifst. Denn die bei uns verkauften Schnittblumen kommen überwiegend aus wärmeren Kontinenten wie Afrika oder Südamerika. Nur jede fünfte Blume, die in Deutschland gekauft wird, wird auch hier angebaut. So haben die Blumen aus den fernen Ländern nicht nur weite Transportwege hinter sich, sie sind auch häufig durch übermäßige Pestizidbehandlung verunreinigt. Das ist nicht nur für uns Kunden unangenehm, es leiden vor allem die einheimischen Arbeiter. Also: kaufe lieber glückliche, einheimische Blumen für Mutti.
Kosmetik – Auf die Schönheit
Ein Leben ohne Kosmetik? Ohne mich. Verzichten auf Seife, Zahnpasta, Shampoo oder Lippenpflege, mag sich keiner vorstellen. Noch weniger kann man sich vorstellen, dass die geliebten Beautyprodukte aus Mineralöl hergestellt werden. Durch die Weiterverarbeitung und Veredelung hat das Öl aber nicht mehr viel mit der schmierigen Flüssigkeit zu tun, die aus dem Erdreich gewonnen wird. In großen Raffinerien wird es zu zahllosen Chemikalien verarbeitet, die für die Herstellung von Kosmetik und vielen anderen Produkten verwendet werden. Somit spielt das Rohöl auch bei den Verpackungen eine wichtige Rolle. 20 und mehr verschiedene Inhaltsstoffe sind beispielsweise in einer Creme zu finden. Diese miteinander zu verbinden, und ein Hautpflegeprodukt daraus zu machen, ist auch eine logistische Meisterleistung.
TEXT Katharina Grzeca
FOTOS Teresa Horstmann