Senkrechtstarter im Sternenhimmel
Drei Dinge hat der Mann. Eine top Ausbildung, Motivation und ein sehr gutes Gespür für Geschmack. Sagt der Guide Michelin, die Gourmet-Bibel für Feinschmecker, die eben auch mal „etwas mehr“ für ein Menu bezahlen. Die Michelin-Sterne werden in Frankreich seit 1926 vergeben, in Deutschland seit 1966. Ein Stern steht für ein sehr gutes Restaurant in seiner Kategorie, zwei für eine hervorragende Küche und drei für eine der besten Küchen, die eine Reise wert sind. Und diese drei Sterne hat Kevin Fehling jetzt. Mehr geht nicht.
Kevin Fehling hat sein Spitzenhandwerk bei den besten Köchen in Deutschland gelernt, auch bei Harald Wohlfahrt, selber Drei-Sterne-Koch. Und er kreuzte über die Meere, auf dem Traumschiff MS Europa. Heute ist er Küchenchef im Restaurant La Belle Epoque im Columbia Casino Hotel Travemünde. Hier kocht Fehling kreativ, modern, weltoffen und das mit einer ganz eigenen Handschrift. Die Gerichte lesen sich schon wie mit Sternestaub geschrieben. Zum Beispiel „Roh marinierter Kaisergranat mit den Komponenten der Hausfrauensauce“ oder „1-Stunden-Ei mit Sot l’y laisse, Perigord-Trüffel, Parmesan & Topinambur“. Na dann, bon apetit.
Herr Fehling, wie fühlt es sich an, mit 35 Jahren Drei-Sterne-Koch zu sein?
Sehr gut. Als ich von der Entscheidung des Guide Michelin erfuhr, war das ganz großes Kino. Als würde man bei der Oscar-Verleihung die Auszeichnung als bester männlicher Hauptdarsteller bekommen.
Haben Sie immer schon gewusst, dass Sie in die Top 10 der besten deutschen Köche und in die Top 100 weltweit aufsteigen würden?
Mein Lebensziel war, einen Stern zu erkochen. Als der vor fünf Jahren da war, war das eine große Befreiung. Der zweite Stern zwei Jahre später hat mir dann gezeigt, dass noch mehr möglich war. Die Test-Esser vom Guide Michelin und auch von anderen Gourmet- Führern, hatten das schon sehr präzise erkannt.
Wollten Sie immer Koch werden?
Ich wollte immer etwas in der Gastronomie machen. Ich war nicht der ehrgeizigste Schüler, das muss ich zugeben. Aber irgendwann wurde mir klar: Wenn ich etwas aus meinem Leben machen will, gewisse Ziele und finanzielle Ansprüche habe, dann muss ich auch etwas dafür tun.
Nachdem Sie einmal in der Küche standen, war Ihre Karriere dann aber vorgezeichnet?
Nein, in der Ausbildung überhaupt nicht. Mein Ausbildungsbetrieb war ein einfaches Hotel-Restaurant. Die richtige Ausbildung kam erst nach der Ausbildung. Bei uns Köchen ist es so, dass auf die Lehre die Wanderjahre folgen, in denen man in schnellem Wechsel von einer Stelle zur nächsten geht. Das kann man so sehen wie ein Studium.
Wie schätzen Sie die Aufstiegsmöglichkeiten in der Gastronomie generell ein?
Sie sind so gut wie noch nie. Der einzige Nachteil ist die Unterbezahlung zu Beginn. Gerade in Schleswig-Holstein sind die Tarife am Boden. Hier wäre ein Umdenken in der Branche hin zu einer fairen Bezahlung wünschenswert.
Wie motivieren Sie Ihre Azubis?
Unsere Azubis sie sind Teil des Teams. Und dort motivieren sich die Mitarbeiter weitgehend selbst, denn sie sind ja beteiligt an den Erfolgen, die wir in den letzten Jahren hatten. Das Arbeitsklima bei uns ist wirklich sehr gut.
Was ist wichtiger: Talent, Handwerk oder Disziplin?
Erstmal Disziplin – und Durchhaltevermögen. Handwerk sowieso. Talent braucht man erst später.
Können Ihre Azubis nach dem ersten Lehrjahr schon Hummer kochen?
Ja. Aber sie können auch Gulaschsuppe kochen und Klöße. Das lernen sie unten in der Hauptküche. Wir haben ja hier im Columbia Hotel in Travemünde nicht nur das Gourmetrestaurant „La Belle Epoque“, sondern auch das Holstein ́s mit regionaler Küche. Beide Restaurants sind ein Betrieb.
Sind Sie als top Küchenchef auch top streng?
Bestimmt. Ich bin halt sehr diszipliniert. Mir geht es um Perfektion auf dem Teller. Wem das nicht zusagt, der ist hier falsch.
Kevin Fehling – ein kleiner Lebenslauf
- Geboren 1977 in Delmenhorst bei Bremen.
- Ausbildung als Koch 1994-97 im Hotel Thomsen in Delmenhorst.
- „Wanderjahre“ 1998-2004. Sieben Stationen, unter anderem als Küchenchef auf dem Kreuzfahrtschiff MS Europa und bei Sterne-Koch Harald Wohlfahrt im Schwarzwald.
- Seit 2005 Küchenchef im Restaurant La Belle Epoque im Columbia Casino Hotel Travemünde.
- Erster Stern im Guide Michelin 2008, zwei Sterne 2011, drei Sterne 2013. Zahlreiche weitere Auszeichnungen wie „Koch des Jahres“, „Neuentdeckung des Jahres“ etc.
Im August 2015 eröffneteKevin Fehling sein eigenes Restaurant The Table in der Hamburgs Hafen-City. Dort sitzen seine Gäste an einem großen schlangenförmigen Tisch, an dem Sie ihm live beim Zubereiten der Speisen zuschauen können. Auch The Table wurde im November 2015 mit drei Michelinsternen ausgezeichnet.
TEXT Sabine Spatzek
FOTO Olaf Malzahn