Die Geschichte von jedem Sportstar beginnt ganz bescheiden. Auf staubigen Bolzplätzen, rutschigen Laufbahnen und in miefigen Turnhallen. Die sportliche Karriere von Tennis-Superstar Michael Stich startete mit fünf Jahren beim Lawn-Tennis-Club Elmshorn.
Der Lawn-Tennis-Club Elmshorn (LTC) wurde im Jahr 1896 von elf Elmshorner Tennisfans gegründet – zu einer Zeit, als es im gesamten damaligen deutschen Reich nur etwa zwei Dutzend Tennisvereine und in Schleswig-Holstein lediglich einen anderen Tennisplatz gab.
Der bekannteste Tennisclub der damaligen Zeit lag am Hamburger Dammtorbahnhof und war 1892 Austragungsort der ersten „Internationalen Deutschen Meisterschaften im Tennis“. 2006 fanden die Meisterschaften zum 100. Mal statt. Sie zählen damit neben den heute als Grand Slam-Turniere bekannten Offenen Meisterschaften von England, Frankreich, Australien und den US Open zu den ältesten und traditionsreichsten Turnieren der Welt.
Beim LTC Elmshorn wurden etwas kleinere Brötchen gebacken. 1952 war der Club der größte Tennisverein in Schleswig-Holstein und war viele Jahre lang bekannt für seine Tennisspielerinnen, die viele Landesmeistertitel im Einzel und Doppel erringen konnten. Die weibliche Dominanz änderte sich erst mit Michael Stich. 1982 gewann Michael Stich den Landesmeistertitel bei den Junioren Altersklasse II in der Halle im Doppel, 1983 wiederholte er den Erfolg im Einzel, 1986 wurde er Deutscher Jugendmeister Altersklasse 1 und im Sommer 1991 gewann er am 7. Juli 1991 schließlich das wichtigste Turnier der Welt, die Offenen Meisterschaften von England im Londoner Stadtteil Wimbeldon.
Am folgenden Tag schrieben die Elmshorner Nachrichten: “London. 16.42 Uhr Wimbledon Ortszeit – Michael Stich aus Elmshorn reißt die Arme hoch: Mit einem nie erwarteten glatten Drei-Satz-Sieg über Boris Becker gewinnt der Shooting-Star dieser Tennis-Saison die 105. Offenen Tennismeisterschaften von Wimbledon. 13.000 Zuschauer auf dem Centre Court jubeln mit dem 22-Jährigen aus der Krückaustadt, unter ihnen die Familie des neuen Tenniskönigs aus Elmshorn, die Eltern Gertrud und Detlef Stich sowie Michaels Brüder Thorsten und Andreas Stich.”
Ein paar Monate später ehrte die Stadt Elmshorn Michael Stich mit einem Empfang im Rathaus. Michael Stich erhielt eine eigens für ihn angefertigte Goldmedaille, die auf der Vorderseite das Stadtwappen, die Flora, zeigte und auf der Rückseite den Siegespokal von Wimbledon mit Namensprägung. Danach ging es zur Feier in seinen Heimatclub, den LTC, in dem er das Tennisspielen erlernt hatte.
Heute trainiert der Tennisnachwuchs des LTC Elmshorn auf 8 Grand-Außenplätzen und 3 Hallenplätzen unter der sportlichen Leitung von Olga Shaposhnikova, einer ehemaligen internationale Meisterin von Italien, Spanien, der Schweiz und Russland. Zu den größten Talenten gehört neben Younes Hemeicheh, Jarne Münster, Niklas Korzekwa auch Tomas Charlos, der schon die Landesmeisterschaft im Einzel (U16) gewinnen konnte. Tomas Charlos wurde von Olga Shaposhnikova und Dean Grube, der sowohl Norddeutscher Meister als auch Deutscher Vizemeister wurde, intensiv trainiert und erhielt so das Rüstzeug für die geplante Profikarriere. Heute trainiert er im Tennisleistungszentrum in Wahlstedt bei Bad Segeberg.
Die meisten sportbegeisterten Jungs wollen heute Profifußballer werden und träumen von einer Karriere beim FC Bayern München, bei Borussia Dortmund oder sogar beim FC Barcelona. Tennis ist nicht mehr so angesagt wie früher, vor 20 Jahren, als Michael Stich, Steffi Graf und Boris Becker ständig im Fernsehen zu sehen waren. Michael Stich glaubt dennoch an das deutsche Tennis. “Tennis ist bei uns eine Volkssportart, ein schlafender Riese”, sagt Stich. “Der Deutsche Tennis-Bund ist nach dem DFB (Deutscher Fußball-Bund) und dem Deutschen Turner-Bund der drittgrößte Sportverband in Deutschland, wir haben vier Millionen Menschen, die Tennis spielen und eines der besten Sichtungssysteme der Welt, mit geschulten Trainern auf allen Ebenen.” Er ist aber auch der Ansicht, dass letztlich jeder selbst dafür verantwortlich ist, was er aus diesen guten Rahmenbedingungen macht und dass man alles aus sich herausholen muss. So wie er: “Ich habe absolut alles probiert und habe mir eine Chance gegeben im Profitennis.” Chancen für Nachwuchsspieler bietet LTC Elmshorn für alle Tennisbegeisterte. In der gemütlichen Umgebung des Sportclubs sind alle Mitglieder gerne gesehen, ob Neulinge oder angehende Profispieler.
TEXT Slaven Marinovic
FOTOS ITC Elmshorn