Ich mache erst mal eine Ausbildung! Es gibt Menschen auf der Welt, die für die Verwirklichung ihres Traums viel unternehmen, und es gibt Menschen, die noch viel mehr dafür tun. Zur zweiten Sorte gehört Valentina Braun. Kurz vor dem Abitur hat sich die junge Münchnerin entschlossen, dass sie Ärztin werden möchte. Ein Wunsch, den sie mit vielen teilt. Die Plätze für ein Studium der Humanmedizin sind ziemlich rar und sehr begehrt. Je nach Bundesland liegt der aktuelle Numerus clausus zwischen 1,0 und 1,3. Die durchschnittliche Wartezeit für diejenigen, die diesen Traumschnitt nicht schaffen, beträgt 13 Semester. So bekam die 22-Jährige, wie viele andere Bewerber auch, zunächst eine Absage.
Aufgeben kam für Valentina trotzdem nicht infrage. Um ihren Traumberuf einen Schritt näher zu kommen, entschied sie sich erst einmal für eine Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten. Nicht nur, weil ihr das Wartesemester für das Medizinstudium einbringt. Die Ausbildung verschafft ihr darüber hinaus ganz konkrete Vorteile für ihre Zukunft als Ärztin: „Zum einen lerne ich in der Ausbildung schon vieles, was später auch im Studium eine Rolle spielen wird, wie Wundversorgung oder Blutabnahme. Zum anderen sammele ich Erfahrungen im Umgang mit Patienten.“ Ein weiterer Vorteil: Bei vielen Hochschulen spielt bei der Studienplatzvergabe neben der Abiturnote und Wartezeit auch die berufliche Vorerfahrung eine große Rolle. Hat der Bewerber im Vorfeld einen medizinnahen Beruf erlernt, kann das seine Chancen um den Studienplatz positiv beeinflussen.
Auf der Suche nach einem passenden Ausbildungsplatz entdeckte Valentina die Klinik Fleetinsel in Hamburg. „Der gute Ruf der Klinik hat mich gleich angesprochen“, erzählt sie. Die Klinik zählt zu den führenden orthopädischen Spezialkliniken Deutschlands und passte perfekt in die Zukunftsplanung von Valentina: „Ich interessiere mich sehr für die Orthopädie. Ich glaube, es liegt hauptsächlich daran, dass die Krankheitsbilder schnell ersichtlich sind und für mich die Behandlungen und Therapiemöglichkeiten so besser greifbar werden. Wenn jemand X-Beine hat oder ein kaputtes Knie, kann man dies schnell feststellen, bei Schmerzen in der Bauchregion ist die richtige Diagnose schon schwieriger.“
Der Umstand, dass sich die Abiturientin aus München um einen Ausbildungsplatz am anderen Ende der Bundesrepublik beworben hat, gefiel auch Dr. Jürgen Walpert. Der Mitbetreiber der Orthopädischen Praxis, die eng an die Klinik Fleetinsel angeschlossen ist, und Leiter der Fußchirurgie der Klinik lud Valentina kurzerhand für ein zweitägiges Probearbeiten nach Hamburg ein. „Wenn jemand bereit ist, für seine Ziele seine Heimat zu verlassen, und sich so engagiert, um seinen Traum zu verwirklichen, den wollten wir unbedingt kennenlernen“, so Dr. Walpert. Auf die Zusage musste Valentina nicht lange warten.
„Zum einen lerne ich in der Ausbildung schon vieles, was später auch im Studium eine Rolle spielen wird, wie Wundversorgung oder Blutabnahme. Zum anderen sammele ich Erfahrungen im Umgang mit Patienten.“
Heute ist Dr. Jürgen Walpert ein angesehener Spezialist auf seinem Gebiet. Seine Patienten kommen aus dem ganzen Land nach Hamburg, um sich von ihm und seinen Kollegen behandeln zu lassen. Als Schüler stand er allerdings vor den gleichen Schwierigkeiten wie nun seine Auszubildende Valentina. „Mit 14 bekam ich von meinem Patenonkel das Buch ‚Das Jahrhundert der Chirurgen’ geschenkt. Seitdem stand für mich fest, ich werde Chirurg“, erinnert sich Walpert. Dass seine Abiturnote für das Medizinstudium zu schlecht war, kümmerte ihn wenig: „Ärzte waren für mich Helden, die existenzielle Dinge vollbringen, und in dieser Rolle habe ich mich auch gerne gesehen. Als mir klar wurde, dass ich für den Beruf einen Umweg gehen musste, entschied ich mich für eine Ausbildung zum Sanitäter bei der Marine“, berichtet Dr. Walpert. Zwei Jahre blieb er bei der Bundeswehr und bildete sich zunächst zum Krankenpflegerhelfer und anschließend zum OP-Pfleger und Masseur fort. „Ich habe alle Ausbildungsmöglichkeiten, die mir die Marine bot, genutzt und so einen umfassenden Blick in die Medizin bekommen“, erzählt er. Das Losverfahren wies ihm schließlich einen Studienplatz in Aachen zu, wo er, mit ebenso viel Ehrgeiz wie zuvor, seine Ausbildung zum Chirurgen begann.
Bevor Dr. Walpert nach Hamburg gekommen ist, hat er mehrere Jahre als Oberarzt in einer neu gegründeten orthopädischen Klinik gearbeitet, dem St. Remigius Krankenhaus Opladen in Leverkusen. „Für die Verwirklichung meiner beruflichen Ziele waren Ortswechsel unumgänglich. Zum Glück teilte meine Partnerin meine Ziele und hat mir bei jeder Entscheidung verständnisvoll den Rücken gestärkt“, so Walpert.
Dank des Abiturs kann Valentina ihre Ausbildung auf zwei Jahre verkürzen. Anschließend bewirbt sie sich erneut für das Studium in Humanmedizin, vielleicht auch in Hamburg. „Die Stadt ist mir inzwischen sehr ans Herz gewachsen“, erzählt sie. „Am Anfang war es nicht so leicht, ganz alleine in eine neue Stadt zu ziehen, aber ich wurde hier so gut aufgenommen, dass ich mich richtig zu Hause fühle.“ Bewerbern rät die Azubine, offen und kommunikativ zu sein „und sich für die Materie zu interessieren“. Dr. Walpert ergänzt: „Einen guten Notenschnitt sollten die Bewerber auch mitbringen, wichtiger als perfekte Noten sind mir aber soziale Kompetenz und persönliches Engagement.“
TEXT Katharina Grzeca
FOTO Klinik Fleetinsel