Logistik 2.0

Logistik 2.0

Wer kennt das nicht? Man ist auf der Autobahn und vor einem fährt, in einem sehr gemütlichen Tempo, ein Lkw. Zu gewissen Zeiten und auf gewissen Strecken reihen sich die Brummis wie an einer nie aufhörenden Perlenkette aneinander, belagern die rechte Fahrbahn, transportieren unsere geliebten Konsumgüter und vielerlei Nützliches und Unnützes zu ihrem Bestimmungsort. Hier werden Waren von A nach B transportiert. Das ist die einfachste Form, Logistik zu erklären und die offensichtlichste, wenn wir auf der Autobahn unterwegs sind. Leider ist das Einfachste nun nicht immer richtig. Denn in unserer komplexen, globalisierten und vernetzten Welt gewinnt auch die Logistik an Komplexität und ihr Verständnis muss weiter gedacht werden als bisher.

Prof. Dr. Henning Kontny und Prof. Dr. Matthias Thulesius lehren beide an der HAW Hamburg, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Am Department Wirtschaft, der Fakultät Wirtschaft und Soziales, bietet die größte praxisorientierte Hochschule Norddeutschlands einen ganz besonderen, in ganz Deutschland einzigartigen, Studiengang an, den Bachelor of Science Logistik – Technische Betriebswirtschaftslehre. Mit diesem Studium und dem darauf aufbauenden Master International Business and Logistics bilden die beiden Professoren Logistik-Experten heran, die den Herausforderungen der globalisierten Wirtschaft gewachsen sind.

Wie ist Ihr, beziehungsweise das Verständnis der HAW Hamburg von Logistik?
KONTNY: Wir fassen Logistik viel weiter, als nur den Transport von Gütern. Logistik betrachtet alle Funktionen in einem Handels- und Industriebetrieb, d.h. wir organisieren Wertschöpfungs-Aktivitäten in einem Unternehmen im Hinblick auf die Raum- und Zeittransformation. Wir gestalten also Prozesse von der Planung, über die Beschaffung und Produktion bis hin zur Distribution.

THULESIUS: Zudem schauen wir, wie diese breit definierte Funktion von Logistik eigentlich im Unternehmen verankert ist und welche Schnittstellen es zu anderen Bereichen gibt, die einen Einfluss auf Logistik haben. Wir fragen uns, welchen Einfluss kann Logistik z.B. auf die Unternehmensstrategie haben? Oder auch umgekehrt? In Hamburg wird Logistik leider sehr stark mit Transportunternehmen und dem Hafen verbunden. Üblicherweise wird diese Gruppe von Unternehmen als Logistikdienstleister bezeichnet. Transport ist aber nur ein Teilaspekt der Logistik.

Das Profil ist einzigartig in Deutschland. Was lernen Ihre Studenten?
KONTNY: Studierenden des Bachelorstudiengangs lernen Prozesse besser zu steuern, und das auf allen Ebenen des Unternehmens. Sie steigern die Effizienz eines Unternehmens, verbessern die Pünktlichkeit, senken die Kosten und Bestände. Kurz, sie verschaffen ihrer Firma Wettbewerbsvorteile. Unser Bachelor ist interdisziplinär ausgerichtet. Er vereint Technik, Wirtschaftsinformatik und Betriebswirtschaft.

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Prof. Dr. Matthias Thulesius lehrt Internationale Logistik.

Und was sind die Besonderheiten beim Master?
KONTNY: Der Master baut direkt auf den Bachelor auf, ergänzt bzw. vertieft in diese Richtung. Er ist international ausgerichtet und befasst sich Schwerpunktmäßig mit Fragen des Managements und der betriebswirtschaftlichen Logistik. Auch der Master hat ein interdisziplinäres Profil in Technik, Wirtschaftsinformatik, Recht und interkulturelles Management.

THULESIUS: Ja, dies gilt sogar in verstärktem Maße für den reformierten Master, der ab WS 2014/15 unter dem Namen „International Logistics and Management“ als Master of Science (M.Sc.) den aktuellen Master „International Business and Logistics“ ablöst. Der Schwerpunkt liegt – wie jetzt auch – explizit auf internationaler Logistik. Über die derzeitigen Themen hinaus, werden wir uns verstärkt mit dem Management von globalen Wertschöpfungsketten (Supply Chains) beschäftigen. Hier bedarf es guter Englischkenntnisse von Seiten der Studierenden, denn die Logistik-Veranstaltungen finden ausschließlich in englischer Sprache statt. Man muss aber mehr als Englisch sprechen, um international agieren zu können. Die Sprache ist eine notwendige Voraussetzung, keine hinreichende. Genauso wichtig ist, dass sie lernen, sich interkulturell zu bewegen, wie sie richtig kommunizieren und andere Kulturen wirklich verstehen. Sie müssen erkennen, woran es zum Beispiel scheitert, wenn in Indien oder China Kommunikationsprozesse, Materialflussprozesse oder Produktionsprozesse nicht funktionieren. Unsere Studierenden können einschätzen, ob das einen technischen Hintergrund hat oder es daran lag, dass die Informationen nicht da waren, oder ob es etwas damit zu hatte, dass die Kommunikation nicht gepasst hat. Hat jemand sein Gesicht verloren, habe ich ihn falsch angesprochen, habe ich ihn zu direkt auf ein Problem angesprochen, habe ich die falsche Hierarchieebene angesprochen? Das sind Fähigkeiten, die heute gebraucht werden.

Warum lohnt es sich, an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften zu studieren?
KONTNY: Vorteile hier sind vor allem die kleinen Semestergruppen im Vergleich zu einer Universität. Wir haben beim Bachelor 40 und beim Master 25 Studienplätze. Die Studenten bekommen eine intensive Betreuung. Sie haben viel mehr Möglichkeiten, direkt Fragen zu stellen, werden mit Namen angesprochen und haben ein persönlicheres Verhältnis zu uns Professoren. THULESIUS: Unabhängig von der Gruppengröße ist ein wesentliches Merkmal von Hochschulen die Interaktivität der Lehre. Veranstaltungen nennen sich bei uns üblicherweise nicht Vorlesungen, sondern seminaristischer Unterricht und haben immer interaktiven Charakter. Das spiegelt sich in solchen Dingen wie Gruppenarbeiten, die anschließend besprochen und diskutiert werden, wider.

Hochschulen für angewandte Wissenschaften zeichnen sich durch einen hohen Praxisbezug aus. Wie äußert sich das an der HAW Hamburg?
KONTNY: Der starke Praxisbezug ergibt sich aus dem Werdegang unserer Lehrenden. Im Gegensatz zu Universitäten müssen Professorinnen und Professoren bei uns mindestens fünf Jahre Berufspraxis mitbringen. Auf diese Weise können wir praxisorientierte Vorlesungen halten und die Erfahrungen aus dem eigenen Berufsumfeld einbringen. Wir wissen, wie Firmen funktionieren und können entsprechende Beispiele bringen. Es finden viele Exkursionen statt, und wir beziehen Praktiker in die Lehre mit ein. Wir haben ein verpflichtendes Praxissemester. Die Bachelor- und die Masterthesis wird in der Regel in Kooperation mit einem Unternehmen durchgeführt.

Wo sind die Absolventen später einsetzbar?
KONTNY: Unsere Absolventen gehen zum Beispiel zu Airbus, Unilever, Otto, Volkswagen, Porsche um dort in Einkauf, Produktion, Distribution, Supply Chain Management oder Controlling nach dem Bachelor Fachaufgaben oder nach dem Master Führungsaufgaben zu übernehmen. Sie gehen aber auch zu Logistikdienstleistern wie z.B. DHL, Kühne & Nagel, Hermes oder Lufthansa Technik Logistik Services. Aber im Wesentlichen gehen sie in große Industrie- und Handelsunternehmen. Und dort ist die Akademisierung dieses Berufsbildes auch deutlich fortgeschrittener. Und das ist eigentlich schon der wesentliche Kern, weshalb Logistik für Unternehmen wichtig ist, weil sie Wettbewerbsvorteile haben möchten. Wir bilden hier durchaus Generalisten aus, mit einer Spezialisierung in Logistik. Sie sprechen eine gemeinsame Sprache und können zu anderen, zu besseren Lösungen kommen, als das die einzelne Disziplin machen würde. Sie vermitteln interdisziplinär zwischen der Technik, der Wirtschaftsinformatik und der Betriebswirtschaft, aber auch zwischen Beschaffung, Produktion und Distribution. Sie übernehmen in einem internationalen Kontext Managementaufgaben und ich glaube, Hamburg könnte noch mehr von unseren Studierenden gebrauchen.

Prof. Dr. Kontny, Prof. Dr. Thulesius, vielen Dank für das Gespäch.

TEXT Katharina Grzeca
FOTO Teresa Horstmann