„Ready for Rock ’n’ Roll“ (Olaf Scholz),
aber:
„Vertrauen ist wesentlich zerbrechlich.“ (Shmuel Eisenstadt)
Nach dem „Ampel-Aus“ am 6. November 2024 folgte der kürzeste, kontroverseste und wahrscheinlich auch der emotional aufgeladenste Wahlkampf in der Bundesrepublik.
Am 23. Februar stellen die Wählerinnen und Wähler – der demokratische Souverän – die Weichen nicht nur für die Parteien sowie deren Kanzlerkandidaten und damit für die Richtung, in die sich das politische System entwickelt, sondern letztlich zugleich auch für ihre persönliche Zukunft.
Wenn etwa 40 Prozent der Wahlberechtigten noch unentschlossen sind, wird Meinungsbildung zum Schlüssel für die bevorstehende demokratische Richtungsentscheidung. „Schlagabtausch“ (ZDF), „TV-Duell“ (ARD), „Klartext“ (ZDF) lauten denn auch einige Formate der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, die sich diesen Auftrag zu Aufgabe gemacht haben.
Ein Beitrag hebt sich unseres Erachtens jedoch deutlich von den genannten Formaten ab.
„Die Vertrauensfrage: Wer kann Deutschland regieren?“
Die außergewöhnliche Dokumentation der beiden erfahrenen Politikbeobachter und Filmemacher Stephan Lamby und Christian Bock, die am 10. Februar in der ARD gesendet wurde, halten wir daher für besonders empfehlenswert.
Sie rekonstruiert Schritt für Schritt den Bruch der Koalition in Gesprächen mit den Kandidatinnen und Kandidaten in verdichteter Form und kontrastiert deren zum Teil widersprüchliche Aussagen. Ergänzt durch kurze Statements von Journalisten-Kollegen. Mit der Kamera nah dran – auch während eines Waldspaziergangs – immer entlang des ‚roten Fadens‘ der Geschichte und über allem schwebt stets die Frage: ‚Wer traut noch wem?‘
Dem Sozialwissenschaftler Jan Philipp Reemtsma ist zuzustimmen: „Und wenn wir an dem Satz festhalten, dass die Art des sozialen Vertrauens zu den wesentlichen Parametern jeder Kultur gehört, so ist die Gewaltabstinenz das entscheidende Moment der gesellschaftlichen Kohäsion in der Moderne.“
Diese übergeordnete, existentielle Perspektive sollte man in einer parlamentarischen Demokratie nie aus dem Blick verlieren.
Wenn Berufliche Orientierung zugleich Lebens-, Welt und Wertorientierung ist, dann eignet sich unseres Erachtens „Die Vertrauensfrage“ geradezu in exemplarischer Weise und über den Tag der Wahl hinaus für eine kundige und kluge Demokratie- und Medienbildung in und außerhalb der Schule!
Literatur
Jan Philipp Reemtsma Vertrauen und Gewalt, Hamburg 2008
TEXT Erhard Mich
FILMPRODUKTION ECO Media TV-Produktion GmbH
GRAFIK © WDR/Studio Fritz Gnad/dpa/picture alliance/imageBROKER/IMAGO/ddp images