BEI UNS STEHEN ALLE TÜREN OFFEN! – Chancen im Handwerk

BEI UNS STEHEN ALLE TÜREN OFFEN! – Chancen im Handwerk

Wenn etwas „goldenen Boden“ besitzt, dann ist es auf jeden Fall das Handwerk. So gut wie heute ging es den Betrieben in Nordfriesland noch nie. Sie gliedern sich in 16 Gewerke und 28 Innungen, in denen rund 700 Innungsbetriebe organisiert sind. Wer sich für das Handwerk interessiert, kann aus 350 Ausbildungsunternehmen und Dutzenden Berufen auswählen. Worauf es bei der Ausbildung ankommt und warum die Betriebe so viele Azubis suchen, erklären Stephan Tack (links im Bild) und Lutz Martensen, die Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaften Nordfriesland Nord und Süd

Handwerk gilt als die „Wirtschaftsmacht von nebenan“. Wie sieht es 2018 mit den Betrieben in Nordfriesland aus?

Tack: Das Handwerk gilt als einer der größten Arbeitgeber in unserer Region. Die Auftragslage ist nach wie vor sehr gut bei den Betrieben. Sie suchen deshalb auch händeringend Fachkräfte und Azubis. Eine unserer größten Aufgaben ist es, Berufsnachwuchs für das Handwerk zu gewinnen. Man kann hier nicht nur gutes Geld verdienen. Wir wollen den jungen Leuten auch vor Augen führen, welche Möglichkeiten und Karrierechancen die handwerklichen Berufe bieten.
Martensen: Die Chancen sind hervorragend, denn jungen Leuten stehen alle Türen offen. Ich glaube, um ein Handwerk zu erlernen, gibt es keine bessere Zeit als heute.

Die Auswahl an Ausbildungsberufen ist nicht nur im Handwerk sehr groß. Was empfehlen Sie jungen Leuten, die nicht genau wissen, welchen Beruf sie ergreifen sollen?

Martensen: Unbedingt Praktika absolvieren, dabei nicht nur einen Beruf, sondern mehrere ausprobieren. Das ist zunächst die wichtigste Entscheidungshilfe. Ich rate dazu, auch schon in den Ferien freiwillig Praktika zu machen, nicht nur die Schulpraktika. Das kann für das Leben ganz wichtig sein, weil sich hier vielleicht Talente und berufliche Neigungen zeigen, die man sonst nicht wahrgenommen hätte. Man braucht keine Schwellenangst zu haben, um auf die Betriebe zuzugehen. Chefs hören es gerne, wenn man sich für ein Praktikum interessiert. Im Handwerk ist der Ton meist ganz locker. Und dabei zeigt sich schon, ob für den Fall einer Ausbildung die Chemie stimmt .

Welche Chancen haben denn Abiturienten als Alternative zum Studium?

Tack: Als Berufseinstieg ist eine duale Ausbildung eine wunderbare Basis, auf der man durch eine Meisterqualifizierung oder ein Studium aufbauen kann. Denn zukünftig stehen viele Betriebsübernahmen an. Das heißt: Chefs, die in den Ruhestand gehen, suchen Nachfolger für ihr Unternehmen. Hier sehen wir für den quali zierten Berufsnachwuchs enorme Zukunftschancen.

Das schönste ist, dass es nach getaner Arbeit am Ende des Tages häufig ein Erfolgsergebnis gibt.
-Stephan Tack

Was sind für Sie die größten Trümpfe für die sprichwörtliche „Hand-Arbeit“ im Handwerk?

Martensen: Man sieht abends, was man den ganzen Tag gemacht hat. Das ist ein ganz großer Trumpf bei jungen Leuten – Erfolgserlebnisse! Das geht so weit, dass junge Gesellen im Baubereich mit Freunden Rundfahrten unternehmen, um ihnen stolz zu zeigen, welche Häuser sie mitgebaut haben.

Was können die Handwerksbetriebe tun, um in Zeiten schwieriger Nachwuchssuche für Azubis attraktiver zu werden?

Tack: Immer mehr Betriebe werben offensiv über die sozialen Netzwerke oder mit pfiffig gemachten Flyern um junge Leute. Finanzielle Anreize zusätzlich zum Azubi-Gehalt sind nach unseren Erfahrungen nicht so wichtig für Azubis wie die Work-Life-Balance, wie es modern heißt. Das bedeutet: Azubis sind dann hochmotiviert, wenn der Chef Freizeitausgleich und Urlaubswünsche berücksichtigt und den jungen Leuten entgegenkommt. In diesem Bereich werden die Betriebe flexibler, weil sie die Nachwuchskräfte brauchen.

Was sagen Sie jungen Frauen, die trotz großen Interesses unsicher sind, ob sie einen traditionellen „Männerberuf“ wie Elektronikerin, Maurerin oder Dachdeckerin lernen sollen?

Martensen: Ausprobieren und schauen, ob es Spaß macht! Viele Betriebe sind sogar dankbar, wenn sich Frauen bewerben. Denn sie bringen meist ein harmonischeres Miteinander ins Team, und das schätzen die Chefs. Sie sind wirklich offen für weibliche Nachwuchskräfte, keiner Frau werden Steine in den Weg gelegt – im Gegenteil. Es gibt heute keinen Beruf mehr, den Frauen nicht leisten könnten. Für die körperlich schwersten Arbeiten werden meist Maschinen eingesetzt. Wir haben beispielsweise in den als anstrengend geltenden Bauberufen immer wieder hervorragende Mitarbeiterinnen. Der Körper gewöhnt sich recht schnell an belastende Tätigkeiten. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die jungen Gesellinnen im Handwerk fast immer richtig gut werden und nachher sogar die besseren Abschlussnoten erreichen!

Was unternehmen die Handwerksbetriebe, um fit fürs 21. Jahrhundert zu werden?

Tack: Die Unternehmen investieren viel Geld nicht nur in neue Maschinen und Werkzeuge. Es geht auch um die Organisation und die Arbeitsabläufe oder das Rechnungswesen, die am Computer mit moderner Software optimiert werden.

Um ein Handwerk zu lernen, gibt es keine bessere Zeit als heute.
– Stephan Tack und Lutz Martensen

Heißt das auch, dass die Anforderungen an die Berufsausbildung junger Leute steigen – Stichwort „lebenslanges Lernen“?

Tack: Das betrifft heute alle Berufe: Man kann sich nicht auf dem einmal Gelernten ausruhen. Das gilt für die Bedienung neuer Maschinen, die heute häufig computergesteuert arbeiten und Hightech-Standard besitzen. Auch die Verarbeitung neuer Materialien setzt voraus, dass die Mitarbeiter/innen dazulernen. Ein gutes Beispiel ist das Bäckerhandwerk: Die Azubis und Gesellen müssen viel über den Nachweis und die Dokumentation der Inhaltsstoffe wie zum Beispiel Allergene wissen. So ändert sich im Lebensmittelhandwerk derzeit insgesamt das ganze Berufsbild. Kopf und Hand sind in den Handwerksberufen gleichermaßen gefragt.

Es heißt ja „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“: Azubis müssen den ganzen Tag die Backstube fegen oder für die Gesellen Kaffee holen. Alles Schnee von gestern?

Martensen: Das kann sich heute kein Unternehmen mehr erlauben. Azubis, die das Gefühl haben, dass sie ausgenutzt werden, wechseln den Betrieb.

Woran merken der Meister und der Azubi, dass die Wahl der Lehrstelle für den Betrieb ebenso wie für den Jugendlichen goldrichtig war?

Martensen: Wenn der Azubi morgens aufsteht und merkt: Ich fahre gerne zur Arbeit und habe Spaß dabei. Das ist ein sicherer Hinweis. Und das überträgt sich zwangsläufig positiv auf den Betrieb und den Meister. Wer mit Bauchschmerzen zur Arbeit fährt, muss überlegen: Was stimmt da nicht? Dann können auch unsere Ausbildungsbetreuer weiterhelfen – sie sind für alle Probleme der Azubis die richtigen Ansprechpartner. Der Meister spürt genau, wenn der Azubi richtig ist: Er oder sie ist bei der Sache, wissbegierig und fragt nach.

In den meisten Betrieben wird ein gutes, persönliches Miteinander gepflegt.
– Stephan Tack

Welche Vorteile bietet das Handwerk den Auszubildenden gegenüber der Industrie?

Tack: In den meisten Betrieben wird ein gutes, persönliches Miteinander gepflegt. Der Chef kennt seine Leute, er kennt auch deren Familien und den persönlichen Hintergrund der Mitarbeiter – das wird in fast allen Handwerksbetrieben gelebt. Man kümmert sich um einander. Auch ist die Arbeit selbst im Handwerk jeden Tag neu. Es geht nicht nur darum, immer die gleichen Handgriffe auszuführen. Das Schönste ist , dass es nach getaner Arbeit am Ende des Tages häufig ein Erfolgserlebnis gibt. Dazu kommt: In vielen Berufen etwa im Baubereich hat man immer auch mit Menschen zu tun. Handwerker sind meist draußen bei den Kunden, wo sie den direkten Kontakt haben.

Herr Tack, Sie betreuen ja neben Südtondern auch die Inseln Sylt, Föhr und Amrum. Wie unterscheiden sich die Unternehmen und die Arbeitsbedingungen auf den Inseln von denen auf dem Festland?

Tack: Dort ist es noch persönlicher. Auf Föhr und Amrum kennt sich wirklich fast jeder. Auch die Sylter Betriebe halten stark zusammen, doch hier ist die Situation anders: Für große Bauprojekte zum Beispiel kommen Architekten und Firmen aus ganz Deutschland nach Sylt, während auf Amrum und Föhr fast alle Aufträge von den heimischen Firmen ausgeführt werden.

Warum hat Nordfriesland Zukunft?

Martensen: Wir haben unsere Inseln, die von Millionen Urlaubern besucht werden und die für das Handwerk ein riesiges Potenzial bieten. Und unsere Betriebe sind ziemlich standfest in Zeiten, wenn es wirtschaftlich mal nicht so gut läuft: Selbst während der Finanzkrise vor rund zehn Jahren hat kaum ein Unternehmen seine Mitarbeiter entlassen. Arbeitslosigkeit? Ein Fremdwort! Und: In Nordfriesland zählt noch der ehrliche Handschlag: Man kann sich auf Abmachungen verlassen.

TEXT Joachim Welding
FOTO Moritz Wellmann