Von Kiel direkt ins All

Von Kiel direkt ins All

Physiker der Christian-Albrechts-Uni entwickeln und bauen Hightech für Weltraum-Missionen – auch Studierende und Doktoranden sind eingebunden.

Wenn die Raketen der NASA oder der europäischen Raumfahrtbehörde ESA zu ihren Missionen ins All abheben, ist oft auch Technik aus Kiel an Bord. So auch bei der spektakulären Mars-Mission Mars Science Laboratory, für die Weltraumphysiker der Universität Kiel Instrumente zur Messung gefährlicher Strahlung gebaut haben. Auch Astronauten der Internationalen Raumstation ISS arbeiten mit den Geräten „made in Schleswig-Holstein“. 

Es ist fast schon so etwas wie Tradition am Institut für Experimentelle und Angewandte Physik an der Christian-Albrechts-Uni zu Kiel: Seit über 45 Jahren tüfteln die Wissenschaftler, Techniker und Studenten an Messinstrumenten für Forschungssatelliten oder Rover. Zu den Höhepunkten gehörte die NASA-Mars-Mission Mars Science Laboratory, als der Forschungsrover „Curiosity“ auf dem roten Planeten abgesetzt wurde, um dessen Oberfläche zu erkunden – unter anderem dank Hightech aus Kiel. „Bei unserer Landungsveranstaltung am frühen Morgen kamen 500 Menschen, die die Mission am Bildschirm live mitverfolgen wollten. Wir alle waren begeistert, als die hoch komplizierte Landung erfolgreich abgelaufen war“, erzählt Professor Robert Wimmer-Schweingruber, Direktor am Institut für Experimentelle und Angewandte Physik.

Kieler Hightech an Bord: Der Mars-Rover Curiosity arbeitete mit Messgeräten, die das Team von Prof. Robert Wimmer-Schweingruber entwickelt und gebaut hat.

Kieler Hightech an Bord: Der Mars-Rover Curiosity arbeitete mit Messgeräten, die das Team von Prof. Robert Wimmer-Schweingruber entwickelt und gebaut hat.

Zu den Messgeräten an Bord des Mars-Rover gehört der über viele Jahre entwickelte und am Kieler Institut gebaute Sensorkopf für das Strahlenmessgerät. Der schickt nun fleißig Messdaten nach Kiel, die die Forscher auswerten. „Wir wollen herausfinden, welcher Strahlenbelastung Astronauten auf dem Mars ausgesetzt wären. Dieses Wissen ist für die geplante bemannte Mars-Mission der NASA wichtig“, erklärt Wimmer-Schweingruber. Die Ergebnisse überraschten: Astronauten müssen sich nicht vor einer zu hohen Strahlenbelastung auf dem Mars fürchten. Bei einem 500 Tage dauernden Aufenthalt auf dem roten Planeten würde das Krebsrisiko um fünf Prozent wachsen. Damit wäre es wesentlich kleiner als das eines Rauchers, sagt der Forscher: „Rauchen erhöht das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, um etwa 1.500 Prozent.“

Gleich an drei Weltraum-Bauprojekten arbeiteten die Teams mit jeweils bis zu 20 Doktoranden und studentischen Hilfswissenschaftlern. Beim größten Vorhaben „Solar Orbiter“ der ESA geht es im wahrsten Sinne des Wortes „heiß“ her: Die Raumsonde, die 2020 von Cape Canaveral (USA) mit einer NASA-Rakete gestartet ist, wird sich der Sonne stark annähern. „Wir wollen erforschen, wie die Sonne die Heliosphäre beeinflusst – im Detail ist das eines der großen ungeklärten Rätsel“, erklärt Wimmer-Schweingruber. Die Heliosphäre ist der weiträumige, interplanetare Bereich um die Sonne, in dem der Sonnenwind mit seinem mitgeführten Magnetfeld wirksam ist.

„Wir wollen erforschen, wie die Sonne die Heliosphäre beeinflusst – im Detail ist das eines der großen ungeklärten Rätsel“

Im speziell gegen Staub abgeschirmten Labor des Kieler Instituts arbeiten die Forscher seit 2009 an dem „Energetic Partical Detector“, mit dem die gigantische Sonnen-Strahlung gemessen werden soll. Sie wäre für den Menschen ähnlich gefährlich wie Radioaktivität. „Wichtig ist, dass das Gerät absolut zuverlässig arbeitet. Deshalb checken wir es vorher auf Herz und Nieren – beispielsweise bei Schütteltests und elektrischen Versuchen sowie in unserer Weltraumsimulationskammer, wo das Gerät in der Größe eines Six Packs Bier Temperaturen zwischen minus 60 und plus 60 Grad ausgesetzt wird.“

Forschen für Weltraummissionen von NASA und ESA: Prof. Robert Wimmer-Schweingruber von der Uni Kiel

Forschen für Weltraummissionen von NASA und ESA: Prof. Robert Wimmer-Schweingruber von der Uni Kiel

Dass in der Seglerhochburg Kiel derart spannende Weltraumforschung betrieben wird, wissen eigentlich nur Insider. „Wir arbeiten mit Forschern aus vielen Ländern zusammen, Arbeitssprache ist deshalb Englisch.“ So entstanden in Kiel für die große chinesische Mondmission „Chang‘E-4“ Messinstrumente für den Lander, wobei selbstverständlich auch chinesische Experten am Institut zum Team gehören. Speziell für die Datenauswertung der schon angelaufenen Weltraummissionen braucht das Institut auch die Mithilfe von Masterstudenten oder Doktoranden der Physik. Etwa 20 Leute sind mit dieser wichtigen Arbeit ständig beschäftigt, erklärt Professor Wimmer-Schweingruber. Die Daten lassen etwa bei der Mars-Mission Rückschlüsse darauf zu, wie das Raumschiff und Gebäude auf dem Mars so gegen Strahlung abgeschirmt werden sollten, damit Astronauten geschützt werden.

In diesem hoch spannenden Arbeitsbereich hat keiner der Studierenden Sorge, dass er/sie keinen Arbeitsplatz findet. „Es sind oft Industrieunternehmen, die unsere Absolventen gerne nehmen, weil diese gelernt haben, Projekte absolut akribisch und zuverlässig durchzuführen. Denn bei Weltraummissionen werden allerhöchste Anforderungen gestellt“, verrät der Professor. Die Absolventen landen hin und wieder auch bei Firmen, die für Weltraumprojekte arbeiten. Und wer Astronaut werden will, kann auch dieses Ziel erreichen. Motto: Von Kiel direkt in den Weltraum!

TEXT Joachim Welding
FOTOS Joachim Welding, ESA


Studium: Physik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Abschluss: Bachelor of Science (B.Sc.)
Studienbeginn: Winter- oder Sommersemester (WS empfohlen)
Bewerbung/Einschreibung: zulassungsfrei (kein Numerus Clausus)
Regelstudienzeit: 6 Fachsemester
Fakultät: Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Studienfachberatung: Prof. Dr. Robert F. Wimmer-Schweingruber,
Institut für Experimentelle und Angewandte Physik, Leibnizstr. 11, Raum 501,
Telefon: 0431/880-3964
E-Mail: wimmer@physik.uni-kiel.de
Sprechstunde: nach Vereinbarung