Viel mehr als der LKW auf der Autobahn

Viel mehr als der LKW auf der Autobahn

Moderne Logistik stellt sich neuen Herausforderungen – mit innovativen Konzepten

Vor über 20 Jahren zog es Winfried Krieger wieder an eine Hochschule. Nach zehn Jahren in der Privatwirtschaft bot ihm eine Stellenausschreibung der FH Flensburg eine interessante Verknüpfung zwischen Logistik und Informationsverarbeitung. Das war genau sein Ding – und ist es noch heute.

Logistik und Supply Chain Management (SCM) – zwei Begriffe, die eng miteinander verknüpft sind. Ganz knapp und prägnant erklärt handelt es sich bei beiden um die effiziente Abwicklung von Warenströmen: „Man muss schon sehr genau hinsehen, um es exakt trennen zu können“, findet Prof. Dr. Winfried Krieger. „Man könnte sagen, dass der Begriff SCM der modernere ist.“ Er muss es wissen, denn als Professor für SCM an der FH Flensburg hat er täglich damit zu tun. Die Beschäftigung mit der effizienten Abwicklung von Warenströmen ist weit mehr, als ein Produkt von A nach B zu befördern. Logistik hat mit dem LKW, der über die Autobahn fährt, wenig zu tun. Das ist nur ein Bruchteil dessen, was Logistik heute bedeutet. Auch die Absolventen der FH Flensburg haben damit später kaum Berührungspunkte. Sie werden stattdessen mit Hilfe von IT für viel komplexere Zusammenhänge verantwortlich sein und halten mit ihren innovativen Konzepten und Problemlösungen die logistischen Nervenbahnen der Wirtschaft in Schwung.
In Flensburg liegt der Fokus des Studiums im Bereich der Konsumgüter-, Handels- und Dienstleistungslogistik – aber auch die Beschaffungslogistik ist Teil der Ausbildung. In den vergangenen zehn Jahren gewinnt, besonders im Konsumgüterhandel, der E-Commerce an Bedeutung. Ein stetig wachsender Markt, der seine ganz speziellen und neuen Anforderungen an die Logistik stellt, ist entstanden: „Das E-Commerce-Geschäft muss vollständig anders abgewickelt werden als das klassische Logistikgeschäft“, erklärt Winfried Krieger. Hier sind Innovationen gefragt! Das fängt schon ganz offensichtlich bei der Sendungsgröße an: „Typischerweise bestellt der Endkunde ein bis zwei Stücke pro Sendung und keine großen Mengen. Auch die Erreichbarkeit der Kunden stellt ein Problem dar, denn während ein Logistikunternehmen den Geschäftskunden während der Öffnungszeiten erreicht, trifft er den Endkunden genau dann meist nicht an.“ Konzepte müssen her. Arbeitsstättenbelieferung, Abholstationen und Spätlieferungen sind erste Lösungen des Problems. Eine dritte Herausforderung sind die zahlreichen Rücksendungen der Endkunden: „Im modischen Bereich sind das bis zu 70 Prozent“, weiß der Logistikprofessor. Die Ware muss schnell zurück zum Verkäufer, um wieder in den normalen Kreislauf zu gelangen.
Probleme wie dieses zeigen die zukunftweisende Aufgabe der Logistik, die immer wieder neuen Herausforderungen gegenüber steht. Da muss auch die Lehre schnell und aktuell reagieren. Positiv wirkt sich da vor allem die Verbindung zu den anderen Fachbereichen des Standortes, wie der Wirtschaftsinformatik oder dem Studiengang Seeverkehr, Nautik und Logistik aus: „Wir sind eng miteinander verknüpft, das gibt es in dieser Tiefe an nur wenigen Hochschulen. Auch unsere Ausstattung, insbesondere unsere Informationstechnologie ist innovativ aufgestellt. Im Fachbereich Wirtschaft sind über 50 motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig, die ihre etwa 1.380 Studierenden hervorragend betreuen. Neuerdings werden einige Veranstaltungen durch Onlinelernen ergänzt – auch da sind wir innovativ und modern“, erklärt Winfried Krieger. „Natürlich pflegen wir Kooperationen mit anderen Hochschulen, vor allem in Dänemark, Frankreich und Irland. Grenzüberschreitende Projekte, wie die Cross Border-Logistics, die die Region in dem nördlichsten Teil Schleswig-Holsteins und die dänische Region Sønderjylland zu einer grenzüberschreitenden Logistikregion zusammenfasst und positioniert, verbinden nicht nur die Hochschulen, sondern auch die Studierenden untereinander.“ Die Stärkung der Region ist für das mittelständisch geprägte nördliche Schleswig-Holstein wesentlich. Übrigens stammen die meisten Studierenden aus dem Norden, vor allem die BA. Bei den spezialisierten Masterstudiengängen sieht das schon anders aus: „Etwa die Hälfte kommt ganz gezielt für ein bestimmtes Masterangebot hier her.“
Die Chancen seiner Absolventen auf dem Arbeitsmarkt schätzt Winfried Krieger sehr gut ein, was vermutlich auch an der praxisorientierten Ausbildung liegt. Außerdem bringt etwa ein Drittel der Studierenden eine abgeschlossene Berufsausbildung mit, häufig mit Logistikbezug: „Unsere Absolventen sind für den Einstieg auf dem ersten Führungslevel geeignet. Manchmal ist das bedingt durch die mittelständisch geprägte Gewerbestruktur der Region etwas schwierig. Viele gehen in Richtung Hamburg, um dort einzusteigen und kommen nach einigen Jahren mit entsprechender Qualifizierung zurück. Dann steht dem Einstieg in ein höheres Level meist nichts mehr im Wege.“

Zweites Standbein für Seefahrer

Neben dem Schwerpunkt im Fachbereich Betriebswirtschaft wird Logistik auch im Studium Seeverkehr, Nautik und Logistik unterrichtet. Die Studenten erwerben das Nautische Patent und erhalten gleichzeitig eine Logistikausbildung. Viele Studenten haben bereits im Vorfeld eine Ausbildung gemacht oder waren bei der Marine. Das Studium bietet eine ganz besondere Chance, denn die meisten Seefahrer sind nur für eine begrenzte Zeit an Bord. Mit dem Studium schaffen sie sich frühzeitig ein zweites Standbein und können nach der Seefahrt problemlos in die Logistik einsteigen. Besondere Lerninhalte liegen im Bereich Seeverkehrswirtschaft. Der Anteil der Logistik liegt etwa bei 20 Prozent. In Zukunft ist geplant, dass die beiden logistischen Bereiche mehr voneinander profitieren und Veranstaltungen von Studenten beider Richtungen besucht werden können. Das würde die Ausbildung auf beiden Seiten sicher noch abwechslungsreicher gestalten, vor allem weil die maritime Logistik durch globalisierte Märkte internationaler aufgestellt ist und andere Transportwege und -mittel thematisiert. In jedem Fall bleibt die Logistik ein weitgefächertes Feld, das sich immer wieder verändern und neu erfinden wird, um auf aktuelle Entwicklungen einzugehen – spannender geht es nicht.

Text Claudia Kleimann-Balke
Foto Tim Riediger