Gerechtigkeit Gerechnet

Gerechtigkeit Gerechnet

Interview mit Alexander Kraft, Michael Herold und Erich Klinkowski vom Bildungszentrum der Steuerverwaltung in Malente

Wie sind Sie ganz persönlich zur Finanzverwaltung gekommen?

KRAFT: Ich war in meinem ersten Beruf als Rechtsanwalt tätig. Dann bin ich auf die Arbeit in der Finanzverwaltung im Bildungszentrum aufmerksam geworden. Ich hatte erfahren, dass hier Teamarbeit ganz groß geschrieben wird – und das hat mich besonders angesprochen. Im Team gemeinsam konstruktiv zu arbeiten, ist für mich eine echte Bereicherung des Arbeitsalltags. Heute leite ich das BIZSteuer in Malente und bin damit Teil eines großartigen Teams.

HEROLD: Eigentlich wollte ich Lehrer werden. Ich hatte schon einen Studienplatz, aber gleichzeitig hatte ich mich beim Finanzamt beworben. Und da sagte mir der Ausbildungsleiter: „Mit etwas Glück können sie bei uns auch Lehrer werden.“ Ich habe  zunächst einige Zeit im Finanzamt gearbeitet und bin dann tatsächlich Lehrer geworden.

KLINKOWSKI: Die Entscheidung, zur Steuerverwaltung zu gehen, ist von meinen Eltern beeinflusst worden. Ich war damals 15 Jahre und habe eine zweijährige Ausbildung beim Finanzamt begonnen – und habe es bis heute nicht bereut. Im BIZ bin ich für die Ausbildungsorganisation zuständig.

Warum hat Sie der Beruf angesprochen?
KRAFT: Ich finde es wichtig, daran mitzuarbeiten, dass unser Steuersystem ein Stück weit gerechter wird. Das ist ganz wichtig, damit die Bürger es akzeptieren können.

HEROLD: Der Gedanke, für die Allgemeinheit zu arbeiten, hat mich überzeugt. Denn es ist ein Dienst an der Gesellschaft, der allen
in unserem Land zugutekommt.

Welche Qualifikationen und Fähigkeiten sollte ein Bewerber heute mitbringen?
KRAFT: Eine bedeutende Eigenschaft ist sprachliches Ausdrucksvermögen. Weil es darum geht, dem Steuerbürger verständlich zu erklären, wie seine Steuern erhoben werden. Außerdem ist ein gutes Einfühlungsvermögen wichtig – sowohl in die Situation des Steuerbürgers als auch gegenüber den Kollegen im Team.

Viele denken ja, die Arbeit mit Steuern hat mit komplizierten Rechenmethoden zu tun. Wie wichtig ist Mathe?
KRAFT: Ein Gespür für Zahlen ist hilfreich, insbesondere, wenn man mit der Buchführung eines Unternehmens zu tun hat. Für einen Finanzwirt sind logisches Denken und ein gutes Abstraktionsvermögen außerdem wichtig, um die Steuergesetze auch tatsächlich anwenden zu können.

Sollte ein Azubi auch juristisches Interesse oder Kenntnisse mitbringen?
KLINKOWSKI: Alles, was man an juristischem Rüstzeug braucht, lernt man hier im BIZ. Das Interesse an Sprache ist wichtig, um die Inhalte der Gesetze zu erfassen. Aber wie man mit ihnen umgeht, lernen die Anwärter hier. Wichtig ist, dass ich die Texte, die ich lese, auch begreife.

Menschliche und kommunikative Fähigkeiten sollten Bewerber sicher auch mitbringen, oder?
KRAFT: Grundsätzlich bringen alle Anwärter zwischenmenschliche Kompetenz mit. Darüber hinaus haben wir im BIZ Angebote zur Entwicklung kommunikativer Fähigkeiten. Aber auch zu Konfliktfähigkeit. Das spielt eine wichtige Rolle, weil der Steuerpflichtige und der Finanzbeamte nicht immer einer Meinung sind. In solchen Fällen ist es wichtig, die Gesetzeslage zu erklären und unter Umständen einen Kompromiss zu finden, den der Steuerbürger nachvollziehen kann.

CMYK_Schule Steuerverwaltung in Malente-2804 sw Kopie  CMYK_Schule Steuerverwaltung in Malente-Herold_sw  Drei Männer sind im Interview mit zwei Redakteuren.  BIZ_HIER_Companies_20012015_02-1

Alexander Kraft (li.o.), Michael Herold (re.o.), Erich Klinkowski (li.u.), ME2BE Redakteure Katharina Grzeca und Joachim Welding (re.u.)

 

Wie stellt die Akademie das hohe Niveau der Ausbildung sicher?
KRAFT: Im BIZ haben wir hauptamtliche Lehrkräfte beschäftigt. Vor ihrer Tätigkeit waren sie erfolgreiche Praktiker in den Finanzämtern und in bestimmten Bereichen Experten. Wir bilden die Lehrkräfte ständig fort, sodass sie auch die pädagogischen Fertigkeiten besitzen,um die Inhalte an die Azubis zu vermitteln. Daneben verfügen wir über einen großen Stamm nebenamtlicher Lehrkräfte. Das sind Praktiker aus den Finanzämtern, die ihr Expertenwissen weitergeben. Das alles steht unter der großen Überschrift „Lernen von den Besten“.

Es verändert sich ja laufend etwas im Steuerrecht. Was heißt das für die Finanzbeamten?
HEROLD: Lebenslanges Lernen ist eine Einstellung, die wir den Anwärtern schon von Anfang an mitgeben. Dafür machen wir den Mitarbeitern auch nach dem Abschluss der Ausbildung Fortbildungsangebote. Aber die Bereitschaft, sich ständig auf dem Laufenden zu halten, muss da sein. Der Bürger hat Anspruch darauf, dass er im Finanzamt auf kompetente Mitarbeiter trifft.

Ist die Einstellung, sich ständig weiterzubilden, auch hilfreich, wenn ich in der Finanzverwaltung Karriere machen will?
KRAFT: Wir machen Mitarbeitern in den Finanzämtern das Angebot, sich dienstlich weiterzuentwickeln. Es gibt Lehrgänge für Spezialisierungen. Sie ermöglichen beispielsweise, im Außendienst in die Unternehmen zu gehen, um dort Steuerprüfungen durchzuführen. Das erfordert besondere Qualifikationen.

Haben die Finanzwirte auch die Chance, die gehobene Ausbildung zum DiplomFinanzwirt anzuschließen, also ein duales Studium?
KRAFT: Ja, wir bieten besonders befähigten Kollegen an, nach einiger Zeit der Tätigkeit in der Finanzamtspraxis ein Studium an der Verwaltungsfachhochschule in Altenholz aufzunehmen und so voranzukommen.

Welche Möglichkeiten stehen dem Absolventen später offen?
KLINKOWSKI: Wir haben ein breites Einsatzfeld. Etwa bei der Rechtsbehelfsstelle, wir haben die Außendienste bei den betrieblichen Steuerprüfungen, aber auch bei der Steuerfahndung – das ist sozusagen die Kripo der Finanzverwaltung, die in Fällen von Steuerkriminalität im Einsatz ist. Es ist auch möglich, in den Finanzämtern Führungspositionen zu übernehmen. Der Weg dahin ist sehr vielfältig. Vom Azubi zum Chef – auch das kann eine Chance sein, einen Karriereweg zu gehen. Nicht immer muss es das Jurastudium sein, um eine Führungsposition zu bekommen.

Mit welchen Argumenten würden Sie bei Jugendlichen für die Arbeit im Finanzamt werben?
HEROLD: Wenn ihr Lust habt, etwas zu tun, was euch und die Gesellschaft weiterbringt, seid ihr in der Steuerverwaltung richtig. Denn das Berufsbild ist ja sehr vielfältig. Man kann in der klassischen Arbeit der Veranlagung, also der Arbeit mit den Steuerbescheiden für die Bürger, tätig sein, aber auch als Ausbilder für den Berufsnachwuchs in den Ämtern arbeiten. Und man kann im Außendienst tätig sein, wo man mit vielen Menschen zu tun hat. Die Verwaltung ist sehr breit aufgestellt.

Warum ist es überhaupt wichtig, dass die Bürger und Unternehmen Steuern zahlen?
KRAFT: Wenn jemand fragt, warum man Steuerbeamter werden soll – ich würde sagen: Weil es Sinn macht! Denn unsere Gesellschaft ist davon abhängig, dass sie Mittel zu Verfügung hat, um unser Land zu gestalten und dafür zu sorgen, dass alle Menschen gleich gute Rahmenbedingungen haben. Das beginnt mit den Straßen, die der Staat in Schuss halten muss, und den Kindergärten, die es Familien ermöglichen, Beruf und Familie zu vereinbaren. Und es geht weiter über Schulbildung für alle bis hin zur Berufsausbildung und zu den Hochschulen – das alles kann ein Staat nur anbieten, wenn er Steuern erhebt. Und jeder Steuerbeamte wirkt daran mit!

Und was sagen Sie zum Klischee des drögen Finanzbeamten?
HEROLD: Wir sitzen nicht im Pullunder mit Ärmelschonern in muffigen Büros – das gibt es einfach nicht mehr. In den Finanzämtern herrscht eine sehr zugewandte, kollegiale und freundliche Atmosphäre. Die Kollegen stehen alle mitten im Leben. Auch unsere Azubis spiegeln das wider: Das sind alles tolle junge Leute, die sehr neugierig und aufgeschlossen sind – Leute, die auch Dinge kritisch hinterfragen.

INTERVIEW Joachim Welding und Katharina Grzeca
FOTOS Michael Ruff