Eine Klinik leiten? Das kann ich auch!

Eine Klinik leiten? Das kann ich auch!

Interview mit Marlies Borchert, geschäftsführende Gesellschafterin der Segeberger Kliniken

Seit 24 Jahren leiten Sie die Segeberger Kliniken. Wie motivieren Sie sich nach einer so langen Zeit im Beruf?
Wenn man Spaß an seiner Arbeit hat, hat man es selbstverständlich leichter, sich zu motivieren. Ich war auch als angestellte Personalleiterin und spätere Geschäftsführerin stets motiviert und habe meine Arbeit gern erledigt. Nachdem ich das Unternehmen im Management-Buy-out-Verfahren übernommen hatte, stieg meine Verantwortung gegenüber Banken, Mitarbeitern und Patienten. Denn plötzlich war ich für alles allein verantwortlich. Mehr Gründe, motiviert zu sein, gibt es eigentlich nicht. Und das hat sich auch nach 24 Jahren nicht geändert. Es hilft natürlich, wenn einem die Arbeit Spaß macht. Das ist bei mir nie anders gewesen. Meine Motivation rührt aber sicherlich auch daher, dass ich es wichtig finde, was wir hier für unsere Patienten tun. Denn die Arbeit von Ärzten und Pflegepersonal hat immer Auswirkungen auf Menschen. Und dass diese Arbeit gut gemacht wird, ist meine tägliche Motivation.

Sie haben eine Ausbildung zur Industriekauffrau gemacht. Wie war Ihr Weg zur Klinikbesitzerin?
Als die Kurklinik 1974 eröffnet wurde, war ich für das Personal verantwortlich, später leitete ich das Unternehmen als Geschäftsführerin. Als die Klinik dann zum Verkauf stand, hatte ich zunächst Angst um meinen Arbeitsplatz. Ich dachte aber gleichzeitig, wie es wäre, die Klinik selbst zu kaufen. Und als ich dann auf meine Fragen an die Mitbewerber immer wieder hörte, dass sie den Kauf über Kredite finanzieren würden, war für mich klar, das kann ich auch. Von da an begann ich, mit verschiedenen Banken eine Finanzierung zu verhandeln.

„Für Interessierte hält das Gesundheitswesen eine goldene Zukunft bereit.“

Sie sind die einzige Klinikbesitzerin in ganz Deutschland. Wieso sind Frauen in Ihrer Position derart unterrepräsentiert?
Es gibt einige Frauen, die Kliniken in Deutschland als Geschäftsführerinnen leiten. Das ist heute immer weniger etwas Besonderes. Eine Klinik zu kaufen, und dann noch als Frau, ist sicherlich ungewöhnlich. Denn wie Sie richtig sagen, ist außer mir bisher keine Frau diesen Weg gegangen. Das mag viele Gründe haben. Es bot sich mir Ende der 80er-Jahre eine Chance, die ich auch als diese erkannte. Zu diesem Zeitpunkt gründeten sich in Deutschland die ersten privaten Kliniken. Das waren wenige Männer, die das taten. Ich war selbstbewusst genug, mir diese Aufgabe zuzutrauen. Das mag aus damaliger Sicht ungewöhnlich sein. Wenn Frauen heute solche Chancen hätten, glaube ich schon, dass es einige gäbe, die diesen Mut aufbrächten.

Unterscheidet sich Ihr Führungsstil von dem Ihrer männlichen Kollegen?
Das hängt für mich weniger von der Frage Mann/Frau ab, sondern ist geprägt von dem individuellen Charakter eines Menschen. Ich selbst stelle viele Fragen und will die Dinge immer sofort wissen. Dazu greife ich auch mal schnell zum Telefon. Ich kann zuhören und schätze die direkte Kommunikation. Das sind für mich weder rein weibliche noch männliche Eigenschaften. Es ist vielmehr mein ganz individueller Führungsstil, der sich von dem meiner Kollegen vielleicht unterscheidet.

Der Gesundheitssektor hat große Nachwuchsprobleme. Was machen Sie, um die Attraktivität der Ausbildung zu verbessern?
Wir bieten im Bereich der Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger für besonders begabte Schüler ein Bachelorstudium an. Unsere Übernahmequoten für Auszubildende im nichtmedizinischen Bereich betragen 75 Prozent, in der Krankenpflege sogar 100 Prozent. Wir bieten vielfältige Weiterqualifizierungen im medizinischen Bereich an, z. B. den Fachp eger für Intensivmedizin. Und zuletzt bietet unsere Unternehmensgröße mit 1.860 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vielfältige Chancen, auch in andere Bereiche hineinzuschauen.

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Welchen Stellenwert hat die Aus- und Weiterbildung für die Segeberger Kliniken?
Für uns ist die Ausbildung des Nachwuchs- es eine der wichtigsten Aufgaben im Personalbereich. Wir sind uns bewusst, dass die jungen Menschen für das Unternehmen Zukunftssicherung bedeuten. Deshalb freuen wir uns darauf, Berufsanfängern Chancen für die eigene Karriere zu bieten.

Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft der Berufe im Gesundheitswesen aus?
Für Interessierte hält das Gesundheitswesen eine goldene Zukunft bereit. Im medizinisch-pflegerischen Bereich warten echte Karrierechancen. Der Bedarf an Personal ist groß und wird aufgrund der demografischen Entwicklung auch bleiben. Wir brauchen die jungen Menschen und bieten mit unserer Gesundheits- und Krankenpflegeschule ein tolles Startangebot.

Welche persönlichen Eigenschaften sollten Bewerber mitbringen, die sich für den Bereich Medizin, Gesundheit oder Pflege interessieren?
Die jungen Menschen sollten neugierig sein und so etwas wie Menschenliebe mitbringen. Wir sagen das immer, weil ohne eine menschliche Zugewandtheit der Pflegenden dem Patienten nicht angemessen geholfen wird. Soziale Intelligenz wäre wünschenswert und ein hohes Maß an Flexibilität. Denn man muss wissen, dass man in der Arbeit mit Patienten nicht immer die reine Lehre durchsetzen kann.

Begabten Schülerinnen und Schülern bieten Sie das Studium „Bachelor of Arts in Nursing“ an. Für wen ist dieses Studium interessant?
Wer Karriere am Krankenbett machen möchte, dem bieten wir diesen Studiengang an der Steinbeis-Hochschule Berlin an. Hier werden Führungskräfte für die Arbeit auf Station und direkt am Patienten ausgebildet. Allerdings ist ein Notendurchschnitt von insgesamt 2,5 Voraussetzung.

Sie beschäftigen etwa 1.860 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Nicht alle sind im medizinischen Bereich tätig. Wie wichtig sind nichtmedizinische Berufe für ein Krankenhaus?
Ohne Verwaltung, Küche und Service geht es nicht. Besonders im Rehabilitationsbereich sind Service- und Therapiekräfte wichtige Mitarbeiter. Mehr als zur Hälfte behandeln wir in unseren Kliniken Rehabilitationspatienten. Insofern kann ich den Stellenwert nichtmedizinischer Fachkräfte gar nicht genug herausheben. Wir bieten in diesem Bereich 10 verschiedene Ausbildungsberufe an.

Was machen Sie, wenn Sie kein Krankenhaus managen?
Ich bin gern in meinem Garten und habe ein Faible für die Fotografie. Wenn ich die Zeit habe, besonders an Wochenenden in den wärmeren Monaten, findet man mich am Teich zwischen meinen Blumen.

TEXT Katharina Grzeca
FOTO Segeberger Kliniken