Berufliche Schule Niebüll: Schüler entwerfen ihren eigenen Lebensplan

Berufliche Schule Niebüll: Schüler entwerfen ihren eigenen Lebensplan

Ein Blick in die Zukunft – für viele ist das nicht einfach. Besonders, wenn man eigentlich nicht so richtig weiß, wie diese Zukunft aussehen soll. Jan-Ove Knudsen ist Studienleiter an der Beruflichen Schule in Niebüll und versucht, genau das zu ändern.

Sein Projekt heißt „Zukunftswerkstatt Lebensplanung“. Es soll Schüler an das Berufsleben heranführen und sie dazu bringen, sich mit ihrer eigenen Zukunft auseinander zu setzten. Die Schüler sind zwischen 16 und 18 Jahre alt und besuchen den Bereich der Ausbildungsvorbereitung. An zwei Tagen sollen sie gemeinsam einen Zukunftsplan erarbeiten – die Herausforderung dabei: Sie sollen Spaß daran haben!

Das funktioniert tatsächlich. Der, sagen wir mal ‚Trick‘, ist es, das Projekt zu einem Teil außerhalb der Schule stattfinden zu lassen. Druck und Zwang kommen dann nämlich gar nicht erst auf. Außerdem werden die Schüler in zwei Gruppen eingeteilt: Jungen und Mädchen: „Es gibt so einfach weniger Peinlichkeiten, und die Schüler haben weniger Hemmungen, sich miteinander zu unterhalten“, weiß Jan-Ove Knudsen.

Die Zukunftswerkstatt hat das erste Mal vor drei Jahren stattgefunden: „Wir dachten, es wäre mal ganz gut, wenn sich die Schüler mit ihrer Zukunft beschäftigen würden“, erinnert sich Jan-Ove Knudsen. Als es nun losgehen sollten, haben einige Schüler nach Blaumännern gefragt – da hatten sie wohl etwas falsch verstanden, denn handwerklich arbeiten sollte sie ja nicht: „Darum geht es bei dem Projekt nicht. Wir wollen die Schüler mithilfe verschiedener Techniken an ihre eigene Zukunft heranführen und machen das in zwei Phasen.“

An einer Flipchart hängen verschiedene Postets.

Kritikphase
Gestartet wird mit einem gemeinsamen Frühstück, jeder hat dafür etwas mitgebracht. Bei einer Fantasiereise werden die Schüler locker. Sie sollen ihr Leben kritisch betrachten und Statements zu den Themen „Heute stört mich an meinem Leben (…)“ und „So soll mein Leben niemals werden (…)“ abgeben. Die Argumente werden auf Karten festgehalten.

Bei der zweiten Fantasiereise sind sie gefordert und sollen alles aufschreiben, was sie im Leben erreichen möchten: „Da kommen oft Antworten wie eine Million verdienen oder einen Bugatti fahren, aber auch ganz banale Dinge wie ein Beruf, Geld, Familie“, erzählt der Schulleiter. Um die Lebensschwerpunkte der Schüler herauszufinden und anschaulich darzustellen, werden die Ergebnisse auf Postern zusammengetragen. Auf Karten sammeln und bündeln sie Assoziationen zu ihren Lebensvorstellungen: „Erstaunlicherweise geben viele dabei auch sehr solide Begriffe und Berufe wie Tischler oder Koch an.“

Umsetzungsphase
In der Umsetzungsphase steht die Frage nach der Machbarkeit der Pläne im Vordergrund: Was kann ich schaffen? Die Schüler lernen, sich selbst realistisch einzuschätzen: Welches Potenzial habe ich wirklich und was kann ich daraus machen? Dabei geht es darum, welche Vo-raussetzungen man für einen bestimmten Beruf mitbringen muss, dass man zum Beispiel mit einem schlechten Hauptschulabschluss keine Banklehre machen kann. „Am Ende wird eine Pyramide zu den wichtigen Dingen im Leben erstellt. Im Fundament stehen oft tatsächlich Schule, Arbeit, Wohnung oder Familie. In der nächsten Zeile dann Kinder oder Ausbildung und Beruf – und als Schmankerl ganz oben Dinge wie glückliches Zusammenleben“, resümiert Jan-Ove Knudsen. Abschließend werden die Ergebnisse von den Gruppen vorgestellt. Es lassen sich zwar unterschiedliche Ansichten ablesen, aber im Grunde denken doch alle ganz ähnlich.

„Als Abschluss muss dann jeder einen Brief an sich selbst schreiben, in dem er seine Ziele für die nächsten sechs Wochen festhält. Die Briefe sammle ich ein und schicke sie nach sechs Wochen per Post an die Schüler und wir besprechen dann alles gemeinsam.“

Das klingt spannend, aber was halten die Schüler wohl von diesem Projekt? Auffällig ist, dass die Atmosphäre während dieser Zukunftswerkstatt ganz anders ist, als in der Schule. Die Schüler kommen von sich aus auf die Projektleiter zu und führen oft auch sehr ernste Gespräche. Das kann unter vier Augen sein oder auch in der Gruppe. Teilweise sind es sehr persönliche Probleme: „Ich freue mich über das Vertrauen, das uns entgegengebracht wird. Das macht die Zusammenarbeit sehr viel leichter“, betont der Schulleiter.

Überrascht waren vor allem die Projektleiter: „Ich habe gemerkt, dass die Schüler meistens gar nicht so überkandidelte Vorstellungen von ihrer Zukunft haben, wie wir Erwachsenen oft denken. Für viele sind Dinge wie Ausbildung, Beruf, Familie und Freunde wichtiger als Geld und Autos. Natürlich spielen diese Dinge auch eine Rolle, aber im Endeffekt legen die meisten Wert auf ein glückliches Zusammenleben. Das finde ich sehr erstaunlich. Außerdem haben die Jungen und Mädchen dabei sehr ähnliche Ansichten.“

Die Zukunftswerkstatt hat also auf beiden Seiten für ganz neue Einblicke gesorgt. Die Schüler haben viel über sich, ihre Wünsche und Träume erfahren und die Lehrer sehen jetzt ihre Schüler mit ganz anderen Augen – ein Gewinn auf ganzer Linie!

TEXT Lara Felsch/Claudia Kleimann-Balke
FOTOS Lara Felsch